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Die antifeministische Allianz

Sexuelle Selbstbestimmung Rechtskonservative „Lebensschützer“ planen ihren alljährlichen Aufmarsch in Berlin. Die Veranstaltung ist alles andere als harmlos

„Pro-Choice“-Demonstrant*innen in Chile: Sicher, kostenlos und frei in der Entscheidung sollen Schwangerschaftsabbrüche sein Foto: reuters

von Theo Schneider

Jedes Jahr im September versammeln sich in Berlin Tausende Abtreibungsgegner zu einem „Marsch für das Leben“, zuletzt mit rund 5.000 Teilnehmenden. Am 19. September wollen die Anhänger der antifeministischen „Lebensschutz“-Bewegung, einer Mischung aus christlichen Fundamentalisten, Neuen Rechten und der AfD, zum 13. Mal aufmarschieren. Derzeit sind 31 Sonderbusse aus dem Bundesgebiet angekündigt. Unwidersprochen bleibt das jedoch nicht, mehrere Bündnisse mobilisieren gegen die reaktionären Zusammenkunft.

Der Aufzug, früher auch „1000 Kreuze Marsch“ genannt, bei dem die Teilnehmenden mit weißen Holzkreuzen angeblicher 1.000 Abtreibungen pro Tag gedenken wollen, wird vom Bundesverband Lebensrecht (BVL) um dessen Vorsitzenden Martin Lohmann organisiert. Seiner Meinung nach sei die Einnahme der „Pille danach“ auch für Vergewaltigungsopfer nicht legitim, da „die Lehre, dass man nicht töten darf“, immer gelte. Unter „Lebensschutz“ ­verstehen die Initiatoren ein generelles Abtreibungsverbot, sie verklären befruchtete Eizellen und Embryons zu „ungeborenem Leben“ und sehen in Schwangerschaftsabbrüchen eine „vorgeburtliche Kindestötung“. Dabei versucht sich das Spektrum der Lebensschützer auch regelmäßig in Vergleichen mit der nationalsozialistischen Massentötung und sprach in diesem Zusammenhang auch schon von Euthanasie und „Babycaust“.

Dabei sind in Deutschland derzeit Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 218 immer noch eine Straftat und nur unter den strengen Voraussetzungen einer Zwangsberatung und bei Einhaltung einer Wartefrist straffrei.

Die Lebensschutz-Bewegung ist das nicht genug. Allerdings sind ihre Anhänger sowohl in ihrem Auftreten als auch inhaltlich heterogen, gemeinsamer Nenner sind neben der Gegnerschaft zur Abtreibung vor allem erzkonservative Moral­vorstellungen, antifeministische Positionen und ein traditionelles Familien- und Rollenverständnis. Auch wenn bei den Demonstranten christliche Fundamentalisten ­überwiegen, ermöglicht die thematische Ein­engung den Schulterschluss zwischen Gruppierungen wie der reaktionär-katholischen Pius-Bruderschaft oder der Evangelischen Allianz Deutschlands, deren Generalsekretär immer wieder mit homophoben Äußerungen auffällt, mit Anhängern und Funktionären der CDU/CSU, die regelmäßig Grußworte stellen, und der Alternative für Deutschland, in der viele Lebensschutz-Anhänger ihre politische Heimat ­fanden.

Donnerstag, 27. August:„Das Kreuz mit der Norm. Geschichte der Auseinandersetzung um Reproduktionstechnologien“: Buchvorstellung und Diskussion, 19 Uhr, K-Fetisch, Wildenbruchstraße 86

Podiumsgespräch mit feministischen Gruppen, die sich für sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland, Polen und Spanien engagieren. Aktivistinnen erzählen von ihren Aktionen und Bündnissen und informieren über die aktuelle Situation und den „Marsch für das Leben“. Stören-Frida, 20 Uhr, f.a.q., Jonasstraße 40

AfD-Chefin Frauke Petry forderte eine Abstimmung über strengere Abtreibungsgesetze mit der Begründung: „Die deutsche Politik hat eine Eigenverantwortung, das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sicherzustellen.“ Ein prominentes Beispiel von Lebensschützern in der AfD ist Beatrix von Storch, die mit ihrem Verein Zivile Koalition e. V. seit Jahren auch als Abtreibungsgegnerin aktiv ist und mittlerweile für die rechtspopulistische Partei im Europaparlament sitzt.

„Wir müssen den ‚Marsch für das Leben‘ als das verstehen, was er ist: Keine harmlose Prozession von Christ_innen, sondern ein direkter Angriff auf die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung von FLTI*s und allen Menschen, die sich keinem reaktionären, nationalistischen und rassistischen Gesellschaftsbild beugen wollen!“, heißt es im Aufruf des linksradikalen Bündnisses „What the Fuck“. Es mobilisiert zu Protestaktionen und ruft zu Blockaden auf.