Entwurf sorgt für Eklat

G 77 Ein vorformulierter Vertragstext ruft massiven Protest der Entwicklungsländer hervor. Verhandlungsführer Dänemark wiegelt ab und spricht von einem „Arbeitspapier“

AUS KOPENHAGEN NADINE MICHEL

Die Klimakonferenz in Kopenhagen hat ihren ersten Eklat: Am Dienstagabend gelang ein vom Gastgeberland Dänemark ausgearbeiteter Vertragstext über die Internetseite des britischen Guardian an die Öffentlichkeit. Die Entwicklungsländer zeigten sich daraufhin ziemlich verärgert und kritisierten den sogenannten dänischen Text massiv. Er spreche den Industriestaaten noch mehr Macht zu, gebe die Prinzipien des Kioto-Protokolls auf und sei in entscheidenden Punkten viel zu schwach.

Auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz machte der Vorsitzende der G 77 deutlich, dass solch ein Text von den Entwicklungsländern gar nicht erst diskutiert werde. Die Vorlage „bedroht den Erfolg der Verhandlungen“, sagte der Sudanese Lumumba Stanislaus Di-Aping. Gleichzeitig versicherte er, die G 77 würden den Verhandlungstisch nicht verlassen. „Ein Scheitern in Kopenhagen können wir uns nicht leisten.“

Im Mittelpunkt steht vor allem die Kritik daran, dass der Text hinter verschlossenen Türen von wenigen Delegationen ausgearbeitet worden ist. „Das ist nicht die Art, wie UN-Verhandlungen geführt werden“, sagte Klimaexpertin Antje von Broock von der Umweltschutzorganisation BUND. G-77-Vertreter Di-Aping betonte: „Hier verhandeln alle Staaten miteinander.“

Darüber hinaus kritisieren die Entwicklungsländer und NGOs zahlreiche Punkte. Beispiel Finanzierung für die Anpassung an den Klimawandel und die Umstellung auf eine emissionsarme Wirtschaft: In diesem Punkt bietet der Text nur eine kurzfristige Zusage von 10 Milliarden jährlich, die von 2010 bis 2012 von den Industrie- an die Entwicklungsländer gezahlt werden sollen. Die viel größere Summe jedoch, die ab 2020 gezahlt werden soll, klammert der Text aus. „Die reichen Länder verweigern einen technologischen Transfer. Sie verweigern finanzielle Unterstützung. Sie zwingen die Entwicklungsländer, aufzuhören zu wachsen“, sagte Di-Aping.

Weiterhin wird vorgeschlagen, ein UN-Organ für die Überwachung der Zahlungen zu gründen. Daraus ergibt sich in dem Text jedoch keine Verpflichtung, die Gelder an die UN zu geben, sie könnten vielmehr auch bilateral gezahlt werden. „Den Entwicklungsländern würde so die Möglichkeit genommen, darauf Einfluss zu nehmen, wohin das Geld fließt“, sagte von Broock.

Zweites Beispiel: die Minderung des Treibhausgasausstoßes. An dieser Stelle geht das Spielchen andersherum. Der Text nennt nur das Langfristziel für 2050. Bis dahin sollen die Emissionen der Industriestaaten um 80 Prozent reduziert werden, was den Entwicklungsländern nicht reicht. „Es müssen 100 Prozent reduziert werden“, sagte Di-Aping. Kurzfristige Ziele lässt das Dokument offen.

Dritter Punkt: die rechtliche Verbindlichkeit. „Hier lässt der Vorschlag viele Fragen offen“, sagte Stefan Krug von Greenpeace. „Was soll etwa passieren, wenn ein Land die Klimaziele nicht erfüllt?“ Das Kioto-Protokoll hingegen sieht – wenn auch schwache – Kontroll- und Bestrafungsregularien vor. Ebenso unterliegt das Protokoll einer späteren wissenschaftlichen Überprüfung, ob die vereinbarten Klimaziele noch immer genügen. Auch dies findet sich im dänischen Text nicht wieder. Die Umweltschutzorganisation WWF bezeichnet den Entwurf als „zu elitär, selektiv und intransparent“.

Die dänische Delegation versuchte umgehend, die Wogen zu glätten. Es handele sich lediglich um ein Arbeitspapier, hieß es. Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sagte: „Das war lediglich ein informelles Dokument, das einigen zwecks Beratung vorab gegeben wurde.“