Vom Parteiverbot zum Aufstand

Tadschikistan Die Regierung verbietet die islamische Oppositionspartei, der bisherige Vizeverteidigungsminister greift darauf zu den Waffen

Abduhalim Nasarsode Foto: Archiv

BERLIN taz | In Tadschikistan musste am Montag mit der Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIWT) die einzige legale islamische Partei im exsowjetischen Mittelasien ihre offizielle Tätigkeit einstellen. Bereits am Freitag griffen Bewaffnete in der Hauptstadt Duschanbe sowie der Kleinstadt Wahdat, 20 Kilometer östlich, Waffenlager des Innenministeriums an. Unklar ist, ob zwischen beiden Ereignissen ein direkter Zusammenhang besteht. In Duschanbe wurden 2, in Wahdat 9 Beamte getötet und zahlreiche Waffen erbeutet. Die 150 Angreifer flohen ins Gebirge. Der Basar in Duschanbe musste schließen, Straßen wurden gesperrt und der Zugang zu sozialen Medien wurde unterbrochen.

Die seit 2012 wieder im Land stationierten russischen Truppen führten Montag Übungen mit einheimischen Streitkräften durch, wobei auch Drohnen eingesetzt worden sein sollen. Die Regierung behauptet, sie habe die Lage inzwischen im Griff. 31 Bewaffnete seien gefangen und 13 weitere „liquidiert“ worden. Präsident Emom Ali Rahmon fuhr schon Sonntag demonstrativ nach Wahdat.

Die Angreifer werden vom bisherigen Vizeverteidigungsminister Abduhalim Nasarsode geführt. Er war am selben Tag wegen nicht näher erläuterter Straftaten entlassen worden. Nasarsode war früher PIWT-Mitglied. Die Partei hat sich aber von seiner Aktion distanziert. Sie ist relativ gemäßigt und erkennt Tadschikistans säkularen Charakter an. Seit 1997 war sie an der Regierung beteiligt. Damals beendete ein Friedensabkommen den fünfjährigen Bürgerkrieg mit bis zu 100.000 Toten. Die Macht wurde zwischen Rahmons postsowjetischer Partei und der bewaffneten Opposition geteilt. Deren stärkste Kraft war die PIWT.

Seit zwei Jahren geriet die Machtteilung aber unter Druck. Rahmon bezeichnete die PIWT als „antinational“. Mitglieder wurden mit Entzug ihres Arbeitsplatzes bedroht und mussten sich öffentlich distanzieren, Funktionäre wurden verprügelt, Parteibüros geschlossen.

Bei den Wahlen im März verlor die PIWT ihre letzten zwei Parlamentssitze. Beobachter sprachen von Wahlen mit „be­schrän­ktem Handlungsspielraum“, PIWT-Chef Mohiuddin Kabiri nannte sie eine „Farce“. Ende August schloss die Regierung die Zentrale der Partei und ihre Zeitung. Als Kabiri, ein in Russland ausgebildeter Exdiplomat, mit einer Pressekonferenz protestieren wollte, wurde ihm der Strom abgestellt. Später ging er nach Istanbul ins Exil. Die Regierung verbot die PIWT jetzt mit der Begründung, sie sei nicht landesweit präsent.

Schon im April hatte sich der Kommandeur der Sonderpolizei, Gulmurod Halim, dem Islamischen Staat (IS) in Syrien angeschlossen. Danach verstärkte Rahmon den Druck auf religiöse Tadschiken. Die Medien starteten eine Kampagne gegen verschleierte Frauen, Polizisten nahmen bärtige junge Männer fest. Nach einem solchen Vorfall starb eine Woche vor den Angriffen vom Freitag in Wahdat ein 23-jähriger Student in Polizeigewahrsam. Hunderte protestierten. Auch das könnte die Angriffe ausgelöst haben. Schon länger ist Minderjährigen verboten, Moscheen oder islamische Schulen zu besuchen.

Angesichts des Drucks der Regierung kann nicht ausgeschlossen werden, dass junge PIWT-Mitglieder und Exbürgerkriegskommandeure wie Nasarsode wieder zu den Waffen greifen. Die Führung in Duschanbe scheint derweil den Weg des Nachbarn Usbekistan zu gehen. Auch dort hatte sich nach dem Ende der Sowjetunion eine Opposition gebildet, wurde dann verboten und radikalisierte sich. Heute agiert sie mit dem IS in Pakistan und Afghanistan.

Thomas Ruttig