Hunderttausende auf der Flucht

MALI Helfer kritisieren die humanitären Folgen des französischen Einsatzes. Sie fordern Zugang zu Fliehenden. Norden ist von der Versorgung abgeschnitten

GOMA taz | Internationale Hilfswerke erwarten eine massive Zunahme von Flucht und Not in Mali in Folge der französischen Militärintervention. Wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag erklärte, rechnet man in den kommenden Monaten mit bis zu 300.000 neuen Vertriebenen innerhalb Malis und bis zu 400.000 neuen Flüchtlingen in den Nachbarländern. Seit Beginn des malischen Bürgerkrieges vor einem Jahr sind bereits rund 150.000 Menschen in Nachbarländer geflohen, weitere rund 230.000 sind innerhalb Malis auf der Flucht – das sind schon 30.000 mehr als vor einer Woche.

Allein aus der Stadt Konna im Zentrum des Landes sind nach Angaben der malischen Behörden die Hälfte der 10.000 Einwohner geflohen. Zwar hatte Frankreich nach eigenen Angaben die Stadt gleich zu Beginn seines Einsatzes vor einer Woche von den Islamisten zurückeroberte, doch die Kämpfe dauerten an. Erst gestern verkündete die malische Armee, sie habe nun die „vollständige Kontrolle“ über die Stadt. Hilfe für die Flüchtlinge dort war dennoch auch am Freitag nicht möglich. „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF), die insgesamt 500 Mitarbeiter in Mali zählen, bemühten sich nach eigenen Angaben seit Montag um eine Genehmigung, medizinische Teams nach Konna zu schicken. „Trotz wiederholter Anfragen verweigern die Autoritäten uns den Zugang zu der Region“, sagte MSF-Programmleiter Malik Allaouna. „Ganze Regionen sind von Hilfe abgeschnitten.“

T-Shirts mit Logo verboten

Ähnlich äußert sich die Caritas: „Der Zugang zu den Hilfesuchenden im Großraum Mopti ist nur noch sporadisch möglich“, erklärt das katholische Hilfswerk gegenüber der taz. „Die Stadt Konna ist zur Zeit gar nicht zu erreichen für humanitäre Helfer.“ In Mopti selbst „sind Einsätze mit dem Auto untersagt, nur Motorradeinsätze werden weitergeführt. Aus Sicherheitsgründen dürfen keine fremden Passagiere mitgenommen werden, sämtliche Logos, T-Shirts, Mützen und Ähnliches sind verboten.“

Bis vor einer Woche war Mali zwar politisch geteilt, es gab aber durchaus Waren- und Personenverkehr zwischen dem Südteil – unter Regierungskontrolle – und dem Nordteil – unter Islamistenkontrolle. Seit Beginn des französischen Einsatzes ist dieser Verkehr eingestellt, die Kriegsfront kann nicht überquert werden.

Zusammen mit der Schließung der Grenzposten zwischen Nordmali und Algerien bedeutet dies eine erhebliche Erschwerung der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern im Norden Malis, der sowieso permanent am Rande von Hungersnöten steht. Vor Kriegsbeginn lebten in der Region rund 1,6 Millionen Menschen. Der Süden Malis fuhr 2012 gute Ernten ein, aber der Norden kann daran jetzt wegen des Krieges nicht mehr teilhaben.

„Die Lage wird schwieriger und kritischer“, warnt das UN-Welternährungsprogramm WFP. Und das Hilfswerk Oxfam fordert dringend die Entsendung von UN-Beobachtern, die den französischen Militäreinsatz überwachen. DOMINIC JOHNSON