Richter sollen mehr werden

AUFGESTOCKT Nach anhaltenden Klagen der Gerichte schafft die Justizbehörde neue Stellen

Nein, Marc Tully will da keinen Zusammenhang sehen: Die breite Empörung darüber, dass jüngst zwei Totschläger aus der Haft entlassen werden mussten, hat aus Sicht des Vorsitzenden des Hamburger Richtervereins nichts zu tun mit der frohen Botschaft, die Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) gestern verkünden konnte: Um 29 Stellen sollen die hiesigen Gerichte in diesem Jahr aufgestockt werden.

Drei davon sind zusätzliche Richterstellen für das Sozialgericht, das zudem drei Servicekraft-Stellen bekommen soll; weiter sind fünf Verstärkungsrichter und fünf weitere Servicekräfte aus dem nicht-richterlichen Bereich geplant. Diese sollen flexibel an verschiedenen Gerichten eingesetzt werden können und im richterlichen Bereich mit Richtern auf Probe besetzt werden. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Jahr bereits neun zusätzliche Stellen erhalten.

Die angekündigten neuen Stellen werden rund 1,2 Millionen Euro kosten – und laut Senator aus den „Handlungsspielräumen“ des Ressorts bestritten. Wenn der rot-grüne Antrag die Bürgerschaft passiert hat, der die richterlichen Stellen genehmigen muss, hofft Steffen, dass der Richterwahlausschuss noch im Dezember tagen kann.

Das die Justiz entlastet werde, fordert der Richterverein schon lange. Die Diskussion gewann an Fahrt, als Mitte August zwei Gewalttäter wegen überlanger Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden mussten. Nun verkündete Steffen, dass die Männer ihre Haft in Nordrhein-Westfalen angetreten haben. Aufstockungen im Justizbereich waren schon bereits Teil des rot-grünen Koalitionsvertrags, nun würden sie nach zahlreichen Gesprächen mit MitarbeiterInnen eingelöst.

Die Lage in Hamburg ist uneinheitlich: Am Verwaltungs- und Sozialgericht ist die Zahl der Fälle stark gestiegen – bei ersterem aufgrund der hohen Zahl an Asylverfahren, bei letzterem aufgrund vieler Klagen um ALG II. Beim Landgericht wiederum gehen weniger Fälle ein, dafür steigt die Zahl der Verhandlungstage; die Fälle würden komplexer, hieß es gestern, etwa durch neue Telekommunikationstechniken.

Steffen mahnte Transparenz der Gerichte an, was beim Richterverein gemischte Gefühle auslöst: Natürlich müsse man Rechenschaft ablegen, erklärte Tully, allerdings reihe man sich ungern in den Kreis öffentlicher Bittsteller ein.

Steffen erinnerte an die Schuldenbremse und machte klar, dass er Einsparungen von Richterstellen vermeiden will – sich aber Kürzungen beim Vollzug vorstellen könne. Vereinschef Tully zeigte sich insgesamt „froh“ über die neuen Stellen, welche die FDP als unzureichend kritisierte. Und die ebenfalls oppositionelle CDU meldete Zweifel an der Finanzierung an. GRÄ