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Tag der deutschen Idioten

Antifaschismus Ob das Verbot des Aufmarschs von Nazis und Hooligans in Hamburg vor Gericht standhält, bezweifeln Experten. Bundesweit wird zu Gegenaktionen mobilisiert

Teil der bundesweiten Mobilisierung gegen den deutschnationalen Stolz: „Nazis aufs Maul“ Foto: Theo Schneider

von Theo Schneider

Die Hamburger Polizei bereitet sich für den 12. September auf den „größten und wohl schwierigsten Einsatz seit Jahrzehnten“ vor: Neonazis mobilisieren für den kommenden Samstag zu einem Aufmarsch unter dem Titel „Tag der deutschen Patrioten“ (TddP), bei dem bis zu 3.000 Rechtsextreme erwartet werden.

Bundesweit wird der Termin auf einschlägigen Seiten beworben, selbst ernannte Hooligans um Labels wie „HoGeSa“ und „Gemeinsam Stark Deutschland“ sowie organisierte Neonazis von NPD und Die Rechte mobilisieren zum Wochenende in die Hansestadt. Es könnte einer der größten rechten Aufmärsche seit der Hooligan-Randale letztes Jahr in Köln werden.

Auch wenn die Veranstalter um den vorbestraften, langjährigen Neonazi Thorsten de Vries bemüht sind, den Anschein einer „friedlichen und gewaltfreien Demonstration“ zu erwecken, spricht nicht nur ihre Empfehlung für „ältere und gebrechliche Menschen und Kinder unter 16“ besser nicht zu er­scheinen, gegen einen harmlosen Marsch. In einer Videobotschaft drohte de Vries, der schon bei den rechten Ausschreitungen in Köln als Redner auftrat: „Wir wollen eine faire Demonstrationsroute, dann behandeln wir euch auch fair, dann gibt es auch keine Randale.“

Auch die Polizei erwartet bei dem TddP „gewaltsuchende und gewaltbereite Teilnehmer“, die „Straftaten aus dem Aufzug heraus begehen werden“, und hat den Aufmarsch deswegen am vergangenen Donnerstag verboten. Die „sicher zu erwartenden gewalttätigen Auseinandersetzungen“ seien durch die Polizei „nicht mit den zur Verfügung stehenden polizeilichen Kräften“ zu verhindern, da bundesweit angeforderte Verstärkung fehlen würde. Ob das Demoverbot allerdings Bestand haben wird, bezweifeln Experten genauso wie die rechten Organisatoren, die Rechtsmittel gegen die Verfügung eingelegt haben. Ein komplettes Verbot des Marschs gilt als unwahrscheinlich, da es als schwerwiegender Eingriff in die Versammlungsfreiheit selten vor Gericht standhält. Zuletzt zeigte sich das im sächsischen Heidenau vor zwei Wochen, als die Polizei ebenfalls mit einen „polizeilichen Notstand“ ein Versammlungsverbot ausgesprochen hatte und das Bundesverfassungsgericht die Verfügung dann kippte. Eine Sprecherin des Hamburger Verwaltungsgerichts kündigte an, es wolle „zeitangemessen“ über den TddP entscheiden.

Auch die Organisatoren der Gegenproteste glauben nicht an ein Verbot und mobilisieren weiter nach Hamburg: „Auf Polizei und Gerichte bauen wir bekanntlich nicht. Es wird Handarbeit bleiben, jeden öffentlichen Auftritt der Nazis zum Desaster zu machen“, heißt es auf der Seite des linken Bündnis „Nicht einen Tag den deutschen Pat­rio­ten“. Zusammen mit weiteren Zusammenschlüssen mobilisiert es für Samstag zu Blockaden und Gegenaktionen. Das Ziel ist klar formuliert: Den rechten Aufmarsch „blockieren, stören und stoppen!“

Dazu soll es bereits am Freitagabend eine „internationalistische Vorabenddemo“ geben, die unter dem Motto „Von Kurdistan bis Hamburg: Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!“ mit kurdischen Gruppen „ein starkes Zeichen gegen Faschismus“ setzen will.

Für den Vormittag des 12. September plant das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ eine „große und starke antifaschistische“ Gegendemo zum Auftaktort der Rechten unter dem Motto „Kein Aufmarsch von Nazi-Hooligans in Hamburg!“ am Hauptbahnhof. Der Startpunkt kann sich allerdings noch ändern, da die Organisatoren dort protestieren wollen, „wo die RassistInnen ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten wollen“.

Insofern wird die Demostrecke erst mit der Entscheidung des Gerichts feststehen, soll aber definitiv um 10 Uhr beginnen und um 12 Uhr am Treffpunkt der Neonazis enden.

Parallel dazu will das städtische Bündnis „Hamburg bekennt Farbe“ um 11 Uhr auf den Rathausmarkt eine Kundgebung gegen rechts abhalten und ruft dazu auf, „mit uns Farbe für Demokratie, Toleranz und Vielfalt“ zu bekennen. Hier will auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) auftreten.

Die Polizei geht von mindestens 15.000 Gegendemonstranten aus. Auch die Organisatoren scheinen zuversichtlich, das der 12. September zumindest zahlentechnisch ein Erfolg wird: „Bundesweit haben viele Antifaschist*innen ihr Kommen angekündigt, auch Genoss*innen aus anderen Ländern werden nach Hamburg reisen“, heißt es. So wollen selbst aus Skandinavien Aktivist*innen mit Bussen zu den Gegenprotesten anreisen.

Die Vorabenddemo beginnt am Freitag um 19 Uhr am S-Bahnhof Sternschanze; letzte Infos vor dem Naziaufmarsch gibt es ebenfalls am Freitag um 20.30 Uhr in der Roten Flora. Die Gegendemo am Samstag startet um 10 Uhr am Hauptbahnhof.

www.nichteinentag.tk

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