Geht’s noch
: Wir sind Luschen

Apple bescheißt Europa um 8 Milliarden Steuer-Euro. Und wir haben trotzdem alle iPhones

Das iPhone läuft gut. Knapp 557 Millionen Stück hat Apple davon in den vergangenen fünf Jahren verkauft – davon schätzungsweise 117 Millionen in Europa. Die KollegInnen von Zeit Online haben das in dieser Woche grafisch sehr hübsch aufbereitet, um zu zeigen wie viel Steuern Apple eigentlich hätte abführen müssen. Das Ergebnis: 9 Milliarden Euro. Wie viel hat Apple tatsächlich in den vergangenen fünf Jahren auf diesem Kontinent an die Finanzämter gezahlt?

8 Milliarden Euro hält Apple den Menschen vor, die ihre Produkte kaufen. Und der Technologiekonzern steht mit derlei Steuertricks selbstverständlich nicht allein da: Ikea, Amazon, Google, Pepsi, Eon – alles Namen aus den sogenannten Lux-­Leaks-Enthüllungen über Konzerne, die Gewinne nach Luxemburg schafften, um dort einen garantiert niedrigen Steuersatz nutzen zu können.

Das mag alles sogar halbwegs legal sein. Aber warum nutzen wir Verbraucher bei Apple oder Ikea nicht unser sonst schärfstes Schwert? Die Moral. Warum kenne ich so gut wie niemanden, der nach diversen ­iPhones nun auf eine andere Marke umgestiegen wäre, aber sehr viele, die fast ausschließlich im Bioladen kaufen oder H&M und ähnliche Modehäuser boykottieren, weil sie die Produktionsbedingungen anwidern, oder per se seit der Finanzkrise allen Banken misstrauen?

Wir haben alle Ökostrom, schicken unsere Kinder in Vegetarier-Kitas, fahren aber am Wochenende zu Ikea, hauen uns den riesigen Einkaufswagen mit Dingen voll und merken erst zu Hause, dass unsere Wohnung ja doch gar nicht 250, sondern nur 50 Quadratmeter groß ist!

Ja, mag sein, dass es naiv ist, woanders anderes einzukaufen, weil bestimmt eh alle großen Firmen den Fiskus kreativ bescheißen. Aber dieser Fatalismus ist nichts anderes als eine Flucht in die Bequemlichkeit. Eine Ausrede. Wir sind Luschen.

Mit den fehlenden 8 Milliarden Steuereinnahmen könnte man übrigens „70 Jahre lang Mare Nostrum finanzieren, die Rettungsaktion für Bootsflüchtlinge im Mittelmeer“. Auch das haben die Zeit-Kollegen ausgerechnet. Jürn Kruse