Volle Kontrolle? Aber gern!

Durchblick Die Faire Woche wirbt in diesem Jahr mit einem konkreten Vorteil für Verbraucher: Transparenz

Eröffnet wird die Faire Woche am 11. September in Berlin. Sie umfasst rund 2.000 Veranstaltungen in ganz Deutschland, darunter Aktionstage in vielen Schulen, Ausstellungen, Kochshows und Infoabende. Was wann und wo passiert, steht unter www.faire-woche.de/veranstaltungen

Sechs Vertreter von Handelspartnern aus Indien, den Philippinen, Ecuador und Honduras werden nach Deutschland reisen und an verschiedenen Orten über ihre Erfahrungen mit dem Fairen Handel berichten.

Ein paar ganz Engagierte haben in Hannover sogar zum „fairen“ Poetry Slam aufgerufen.

von Mirko Heinemann

Für Marlene del Carmen Gonzales Jarquim, Mitglied einer Kaffeekooperative im Norden Nicaraguas, ist der Fall klar: „Unser gesamter Lebensstandard hat sich durch den Fairen Handel verbessert. Grund dafür ist nicht nur der höhere Preis für unseren Kaffee, sondern auch der Effekt, den es hat, Mitglied einer organisierten Gruppe zu sein. Seitdem hat sich mein Leben und das meiner Kinder verändert.“

Mit solchen Fallbeispielen wirbt der Faire Handel um sein Alleinstellungsmerkmal, das da lautet: „Transparenz“. Zu wissen, woher ein Produkt kommt, wie es hergestellt wurde, ein Gesicht dazu zu zeigen – das ist, was die Käufer am Fairen Handel schätzen und warum sie bereit sind, für Produkte mit einem entsprechenden Label auch mehr hinzublättern.

Aber wie ist das im Alltag? Mal ehrlich: Wen interessiert wirklich, was genau hinter dem Siegel auf dem Produkt steckt, das soeben in den Einkaufswagen gewandert ist? Wer liest sich die Zutatenliste durch und recherchiert deren Herstellungsgeschichte? Den meisten reicht es völlig aus, wenn es irgendwo auf der Verpackung „fair“ steht. Dann wird die Sache schon in Ordnung sein.

Letztlich kommt es, wie überall im Handel, auf die Entscheidung der Verbraucher an. Sie noch mehr für Herkunft und Produktionsbedingungen zu interessieren, das hat sich die diesjährige Faire Woche auf die Fahnen geschrieben. Denn auch bei fair gehandelten Produkten gibt es große Unterschiede (siehe Interview auf Seite 2). Der Themenschwerpunkt lautet folgerichtig „Transparenz“, eines der Grundprinzipien des Fairen Handels.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), in der Vergangenheit bereits Schirmherr der Fairen Woche, übernimmt in diesem Jahr selbst die Eröffnung. Das zeigt, welche politische Bedeutung der Faire Handel inzwischen erlangt hat. Das hängt natürlich mit dem schnell wachsenden Zuspruch der Verbraucher zusammen, von dem andere Branchen nur träumen können: 2014 gaben die Deutschen erstmals mehr als eine Milliarde Euro für fair gehandelte Produkte aus. Gegenüber Vorjahr hat sich damit der Umsatz um beinahe ein Drittel gesteigert, binnen der letzten drei Jahre verdoppelt.

Nach wie vor hält Kaffee mit 38 Prozent am Gesamtumsatz die Spitzenposition. ­Nostalgiker werden sich an die Rolle von Kaffee als Pionierprodukt im Fairen Handel erinnern: Wer sich an die Anfänge der legendären „Sandino-Dröhnung“ erinnert, weiß, dass Solidarität mit den Kaffeebauern in Nicaragua früher nicht nur mit dem Geldbeutel, sondern auch mit einem robusten Magen erkauft werden musste. Das hat sich völlig gewandelt. Produkte aus Fairem Handel gelten inzwischen als Premiumprodukte, etwa in Weltläden, Biomärkten und in den Discountern, die immer stärker auf das Label „Fair“ setzen. Das gilt vor allem für Lebensmittel, aber ebenso für Kunsthandwerk, Textilien oder auch Blumen.

So breit die Produktpalette, so groß ist inzwischen die Vielfalt an Siegeln, Labels und Eigenmarken, die mit irgendeinen Form von Fairness werben. Doch wer hat noch den Überblick?

Viele Käufer wollen wissen, woher ein Produkt kommt, wie es hergestellt wurde

Als grundsätzliche Kriterien im Fairen Handel gelten: enge Zusammenarbeit mit den Erzeugern, soziale Mindeststandards, faire Preise, transparente und langfristige Handelsbeziehungen. Das bekannteste Siegel, Fairtrade, lässt die Einhaltung der Standards von einer externen Zertifizierungsgesellschaft überprüfen. Auch Mitglieder der World Fair Trade Organization (WFTO) müssen sich einem Monitoring-Prozess unterziehen – wie etwa die rund 800 Weltläden, die Fachgeschäfte des Fairen Handels.

Dass „fair“ aber noch viel mehr bedeuten kann, darauf weist Julia Lesmeister hin, die beim Forum Fairer Handel für die Organisation der Fairen Woche zuständig ist. Ebenso wichtig seien die direkten Kontakte zwischen den Handelsorganisation und den Produzenten vor Ort, die weit über den reinen Handel hinausgehen, betont sie. „Hier wird Verantwortung gelebt.“ Nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal etwa seien Fair-Handelsorganisationen mit die Ersten gewesen, die Hilfsaufrufe und weitere Maßnahmen gestartet hätten.

Trotz aller Wachstumseuphorie pflegt der Faire Handel immer noch ein Nischendasein: Gerade mal 13 Euro pro Kopf gaben die Deutschen im letzten Jahr für Produkte aus dem Fairen Handel aus. Selbst der Spitzenreiter im Fairen Handel, der Kaffee, machte nur einen Anteil von knapp 3 Prozent am gesamten Kaffeeumsatz aus. Wie das zu ändern sei? Julia Lesmeister lacht. „Einfach weitermachen“, empfiehlt sie. „Der Faire Handel hat eine Menge zu bieten.“ Zum Beispiel in Sachen Transparenz. Was im Einzelnen sonst noch, davon kann sich nun jeder selbst ein Bild machen.