Umstrittener Wahlsieg in Sansibar

Regierungspartei zum Sieger erklärt. Opposition will „Revolution wie in der Ukraine“

SANSIBAR taz ■ Für Sansibars Opposition ist alles klar: Es hat wieder Wahlbetrug gegeben, wie 1995 und 2000. Die Wahlkommission des Insel-Teilstaates von Tansania erklärte gestern die Regierungspartei CCM (Revolutionspartei) zum Wahlsieger, mit 30 Parlamentsmandaten gegen 19 für die oppositionelle CUF (Vereinigte Bürgerfront) und 53 Prozent bei der Präsidentschaftswahl. Zuvor hatte sich die CUF zum Sieger erklärt.

„Das wundert mich überhaupt nicht“, sagt Abdul Ali, ein Geschäftsmann und CUF-Anhänger. „Aber wir werden auf die Straße gehen. Wir werden eine Revolution machen wie in der Ukraine.“

Bei der Wahl am Sonntag war unter den Augen von Journalisten und Wahlbeobachtern ganz öffentlich geschwindelt worden: Regierungsanhänger wurden von Wahllokal zu Wahllokal gekarrt, um unter Polizeischutz mehrfach wählen zu können. Wahlbeobachter des Commonwealth haben das kritisiert – nicht aber die der Afrikanischen Union und der Regionalgemeinschaft des Südlichen Afrikas SADC. „Die meinen, dass alles mehr oder weniger gut gelaufen ist“, regt sich Abdul Ali auf. „Ich weiß nicht, auf welcher Insel sie Wahlen beobachtet haben – jedenfalls nicht hier. Unsere afrikanischen Brüder haben uns im Stich gelassen.“

Seit Sonntag kommt es täglich zu Konfrontationen zwischen CUF-Anhängern und den über 20.000 Polizisten und Soldaten, die speziell für die Wahlen auf die Insel geschickt wurden. Gestern hingen erneut Tränengaswolken in den schmalen Gassen der historischen Altstadt von Sansibar. Aber vom CUF-Hauptquartier in der Stadt ließen sich die Oppositionellen trotz Polizeigewalt nicht verjagen. Das Rote Kreuz hat dutzende Verletzte ins Krankenhaus gebracht, das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF) versorgt ebenfalls Opfer. Die Polizei war sehr schnell im Krankenhaus und bei MSF, um Verwundete zu verhaften. „Sie haben illegal demonstriert“, erklärt ein Polizist, der den Eingang der MSF-Klinik bewacht.

„Wie können wir ehrliche Wahlen haben, wenn die Wahlkommission keine internationalen Beobachter und unabhängige Presse zur Stimmauszählung zulässt“, meint Ali Ali Hassan, ein Rechtsanwalt, der Wählerausbildung betreibt. „Demokratie ist für uns noch ein Traum.“

ILONA EVELEENS