Ein literarischer Leuchtturm und ihre Besitzerin werden geehrt: 40 Jahre Buchladen Bayerischer Platz
: Der Laden schaut – und lächelt

Berlin auf Blättern

von Jörg Sundermeier

Es gibt einen besonderen Anlass, um dieses Buch herauszugeben, doch der wird in den darin versammelten Texten vornehm beschwiegen. Aus gutem Grund: Bescheidenheit. In diesem Jahr ist nämlich Christiane Fritsch-Weith seit 40 Jahren Besitzerin des Buchladens Bayerischer Platz – und es sieht nicht danach aus, als ob sie bald in Rente ginge. Doch sie ist nicht das Thema dieses kleinen Buchs. Vielmehr dreht sich alles um den Buchladen. Seine beiden Inhaber und die jetzige Besitzerin werden da beinahe zu Beiwerk.

Das Geschäft wurde 1919 von dem Anarchisten und Gelehrten Benedict Lachmann gegründet, der selbst einige Bücher publizierte. Schnell wurde der Laden auch über die politischen Kreise hinaus, in denen sich Lachmann bewegte, berühmt. Gottfried Benn ist Kunde, aber auch der radikale Philosoph Salomo Friedlaender, der unter dem Namen Mynona mit seinen rasanten Grotesken Furore macht. Lachmann, der neben seinem Geschäftsbetrieb auch noch die Zeitschrift Der individualistische Anarchist herausgab, war jedoch als Buchhändler kein politischer Indoktrinator, als Händler widmete er sich aufopferungsvoll der Literatur und ihrem Vertrieb.

Am Bayerischen Platz, der erst kurz zuvor erbaut worden war, fand sich das lesehungrige Publikum dazu – die Ausmaße der Buchproduktion und des allgemeinen Lesebedarfs der 20er Jahre sind heute kaum noch vorstellbar. Und Lachmanns Laden passte perfekt in diese Zeit.

Die Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre setzte dem Buchhändler auch weit weniger zu als die Nazis, die im März 1933 an die Macht kamen. Im Buch dokumentiert ist ein Briefwechsel aus dem Jahr 1935 zwischen dem gleichgeschalteten Börsenverein des deutschen Buchhandels, der Reichsschrifttumskammer und anderer NS-Institutionen, in dem darüber verhandelt wird, ob man dem „nichtarischen“ Buchhändler die Vermittlung eines Lehrlings verweigern dürfe. Selbstredend durfte man. Der Buchhändler musste aufgeben und verkaufte an seinen langjährigen Mitarbeiter Paul Behr. Lachmanns Versuche, ins Ausland zu entkommen, scheiterten. 1941 kam er im Ghetto Litzmannstadt, in das man ihn deportiert hatte, ums Leben.

Paul Behr, der kein Antisemit, aber auch alles andere als ein Held war, rettete mit seiner Frau Martha den Buchladen und seinen Bestand über den Weltkrieg, und da die alten Räume ausgebrannt waren, eröffnete der Buchladen unweit von seinem bisherigen Standort nach dem Krieg neu. Auch Behr hielt viel von der Literatur, doch zu neuer Blütte kam der Buchladen erst, als er den Laden nach 40 Jahren an Christiane Fritsch-Weith verkaufte, die es mit 25 Jahren wagte, ihr Leben an diesen Buchladen zu ketten.

Tatsächlich ist der Buchladen in den Texten von Fritsch-Weith ein eigenständig agierendes Subjekt, der Laden „staunt“, „schaut“ oder „wird mutig und zieht im Sommer 1990 um“ – eine Haustür weiter. Auch sie bringt den Buchladen durch schwierige Zeiten, erst als politisches Geschäft, dann als literarischen Leuchtturm, und dies unter anderem dank der Lesungen, die sie mit Vehemenz und Erfolg präsentiert, sowie mithilfe eines Newsletters, den sie wöchentlich zuverlässig an ihre zahlreichen Abonnenten verschickt.

Da nicht nur die Leserinnen und Leser, sondern auch die Autorinnen und Autoren diese Buchhandlung lieben, gibt es viele Lobreden auf das Geschäft und ihre Besitzerin, etwa von Eva Menasse, Horst Pillau, Monika Maron oder Pascale ­Hugues. Dass sich da einiges wiederholt und es zuweilen hagiografisch wird, liegt in der Natur der Sache. Die Herausgeberin aber fängt das alles wieder ein und bleibt bescheiden. Und der Buchladen lächelt.

Christiane Fritsch-Weith (Hg.): „Klein, aber voller Köstlichkeiten: Buchladen Bayerischer Platz“. Transit Verlag, Berlin 2015,160 S., 17,80 Euro