Der Chef verdient 60 Cent pro Stunde

Auf einer Messe im FEZ zeigen 80 Schülerfirmen ihre Geschäftsideen. Die funktionieren erstaunlich gut: Zum Beispiel der Bild-Verleih-Service

Mit Grafiken oder Figuren aus Pappmaché aus dem Kunstunterricht verschönern Ärzte ihre Wartezimmer

VON ANNE MÄRTENS

Das Jackett ist an den Schultern zu weit geschnitten und die Krawatte hängt ein wenig schief. So mancher scheint für den Anlass zum ersten Mal den feinen Zwirn aus dem Kleiderschrank geholt zu haben. Seit gestern präsentieren werdende Manager, Buchhalter und Marketingleiter ihr eigenes Unternehmen im Kinder-, Jugend- und Familienzentrum (FEZ) – ihren Job können sie allerdings nur in der Freizeit ausüben. Denn im Hauptberuf drücken die 14- bis 18-jährigen Jungunternehmer die Schulbank.

80 Schülerunternehmen aus ganz Deutschland sind an der zweiten Berliner Schülerfirmenmesse im großen Foyer des FEZ beteiligt. Sie bieten über ihre Firmen zum Beispiel Maler- und Lackierarbeiten an, programmieren Webseiten oder betreiben einen Reinigungsservice für Graffitischmierereien.

Für Schülerfirmen gibt es ein eigens dafür geschaffenes Finanzierungsmodell: die Schüleraktiengemeinschaft. Für jeweils 10 Euro verkaufen die Firmengründer Aktien zumeist an Freunde oder Verwandte. Erwirtschaftet die Firma Gewinn, wird dieser – ganz professionell – per Dividende an die Anteilseigner ausgeschüttet.

So ist auch Bärlini, die Firma von neun SchülerInnen der Berliner Luise-Henriette-Oberschule, organisiert. Ihre Idee ist es, einen Berlin-Führer speziell für Familien zu konzipieren, mit dem sie die Stadt auf spielerische Weise erkunden können. Seit Sommer arbeiten die SchülerInnen an dem Projekt, noch vor Weihnachten soll das erste Buch in Druck gehen.

Abnehmer gibt es schon. Eine Hotelkette und Kinderärzte haben ihr Interesse angemeldet. Damit die Firma rentabel arbeitet, hat jeder Mitarbeiter, entsprechend seinen Fähigkeiten, bestimmte Aufgaben zu erledigen. „Wer gut in Mathematik und Wirtschaft ist, übernimmt die Finanzen, das Kreative übernimmt jemand aus dem Kunstleistungskurs und die Informatiker sind für die EDV zuständig“, erklärt Sabrina Schmidt von Bärlini. Die SchülerInnen zahlen sich sogar Gehälter. Angestellte bekommen 50 Cent pro Stunde, Mitarbeiter in leitenden Positionen 60 Cent. Mit der Teilnahme an der Messe wollen sie ihr Produkt bekannt machen und zusätzliche Sponsoren oder Anzeigenkunden für ihren Stadtführer finden.

Im Foyer des FEZ herrscht Gedränge von anderen SchülerInnen, die sich von den bereits erfolgreich umgesetzten Geschäftsideen inspirieren lassen wollen. Auch der 16-jährige Mirko Klein und sein Geschäftspartner und Schulfreund Sebastian Knorch zeigen den schulpflichtigen Messebesuchern, wie es gehen könnte. Sie kommen aus Laage im Landkreis Güstrow. „Berlin ist nicht das potentielle Einzugsgebiet unserer Kunden, aber unsere Idee würde auch in Berlin funktionieren“, sagt Mirko Klein.

2003 war er Mitbegründer von Creative friends. Die Freunde verleihen ihre Bilder oder Skulpturen. Viele ihrer Werke entstehen während des Kunstunterrichts in der Schule. Grafiken und Fotografien, Drucke oder Figuren aus Pappmaché – die Angebotspalette der jungen Kunstverleiher ist groß. Ihre Abnehmer sind vorwiegend Ärzte, die so ihre kahlen Wartezimmer verschönern wollen.

Ein Bild inklusive Rahmen kostet für sechs Wochen 9 Euro Leihgebühr, eine Skulptur 6 Euro. „Die meisten sind Stammkunden. Das heißt, dass sie nach einigen Wochen wieder neue Bilder leihen“, erzählt Sebastian Knorch. Der Gewinn wird in neue Rahmen investiert und halbjährlich wird ein kleiner Teil ausgeschüttet. So werten die Schüler ihr Taschengeld auf.

Regina Reinholdt vom Güstrower Institut für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt der Creative friends: „Mit den Unternehmen entwickeln die Schüler Teamgeist und werden selbstständig, müssen aber auch hin und wieder Rückschläge einstecken – sie erleben das Wirtschaftsleben in vielen Einzelheiten.“

Wenn die Jungunternehmer in einigen Jahren in ihre Anzüge reingewachsen sind und die Krawatte zurechtrücken, dann haben sie vielleicht aufgrund ihrer Erfahrung längst ein richtiges Unternehmen gegründet.