Wo sind die Frauen?

EINHEITSFEIERTAG 20 geflüchtete AutorInnen hatten in der taz eine Stimme und taz-Chefreporter Peter Unfried gab wieder Antwort auf „Die eine Frage“

Flüchtlingsunterkunft in Hanau im September 2015 Foto: dpa

Nur vier Frauen

betr.: „Wir wollen euch was erzählen“, taz vom 2. 10. 15

Es freut mich, dass die taz mit dieser Ausgabe den Menschen auf der Flucht oder den angekommenen ehemaligen, nach Deutschland geflüchteten Menschen eine Stimme gibt. Nur: Wo sind die Frauen? 20 Menschen, davon vier Frauen, das kann doch nicht sein. Sollten Frauen nicht in der Lage sein, ihre Erfahrungen, ihrem Erleben ihrem Einleben eine Stimme zu geben? Ich kann es nicht glauben. Da schreibt die taz gegen die Nichteinhaltung von Gleichstellung, zum Beispiel auf Vorstandsebenen, gegen die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen, gegen die Unsichtbarkeit von Frauen auf der Flucht in den Unterkünften. Wo sind da Anspruch und Wirklichkeit. Da ist doch dringend eine Ergänzung notwendig. KARIN SCHÜLER, Bonn

Miteinander reden

betr.: „Das Meer sehen“,taz vom 2. 10. 15

Ramy Al-Asheqs Kritik an den Integrationskursen ist im Wesentlichen richtig, die Teilnehmer sind sehr heterogen, wie man im Pädagogendeutsch sagt, das heißt sie bringen sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Eine stärkere Differenzierung wäre wünschenswert, aber selbst in großen Einrichtungen kaum machbar. Die Beratung beansprucht viel Zeit, das Kursangebot passt vielen Teilnehmern oft zeitlich nicht, oft wollen sie nicht mehrere Wochen/Monate auf eine passenden Kurs warten. Das BAMF finanziert und macht Vorgaben. Wir hatten an der VHS Stuttgart schon Kurse mit 900 Stunden, aber es müssen sich ausreichend viele TeilnehmerInnen finden.

Zur Kritik an der Weigerung der Lehrerin, etwas nochmals zu erklären: Ja, Teilnehmer können sehr empfindlich sein und haben auch ihre Strategien. Die Situation der Dozenten sollte man ab und zu berücksichtigen: Sie sind alle prekär beschäftigt, werden evaluiert, müssen in der Regel mit dieser Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen, bekommen keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Druck!

Wir werden uns damit abfinden müssen, dass es auf beiden Seiten nur Menschen gibt, und die Gespräche sollten deshalb nicht abreißen.

MARIANNE ALTHOFF-HANKE , Stuttgart

Staatstragend

betr.: „Ein weißer Tag für die Grünen“, taz vom 2. 10. 15

Ein Riesenwurf die taz zur deutschen Vielfalt mit den vielen von geflüchteten Autorinnen und Autoren geschriebenen Seiten. Die taz läuft in solchen „Projekten“ immer zur absoluten Höchstform auf. Herzlichen Dank!

Peter Unfrieds Beitrag ist ähnlich wie vergangene Woche. Staatstragend und in Teilen unverständlich. Was heißt denn „Hippie- und Hyperkompensationsanalysen“? Muss ich das wissen? „Man kann nicht die sich zart entwickelnde Bürgergesellschaft vor eine unlösbare moralische Aufgabe stellen und dann sagen: Hab’s ja gleich gewusst, dass das hier alles schlimm endet“! Ja, genau das machen Merkel, Kretschmann und Co. Sie legen ein paar Pflaster auf die Wunden, ein bisschen Geld hie und da, nicht zu vergessen die Asylrechtsverschärfungen. Davon schreiben Sie freilich nichts. MICHAEL DROSS, München

Verbale Pirouette

betr.: „Ein weißer Tag für die Grünen“, taz vom 2. 10. 15

Nun ist also nicht „das Boot voll“, sondern die Redaktion.

Tauschen wir die warmen, angenehm möblierten Redaktionsräume der taz mit der kalten, bedrohlichen Wirklichkeit vieler Flüchtlinge: Unfried und seine Familie hätten nichts zu fressen und zu saufen, ständig blicken sie in Gewehrläufe, Freunde sind erschossen, seine Frau schon mehrfach vergewaltigt worden, keine Hoffnung auf ein angstfreies, für seine Kinder ein Leben mit ein bisschen Hoffnung. Sie erreichen das „rettende Ufer“, wo sie auf Wohlstand, Überfluss, Luxus überall stoßen. Und sie hören: „Tut uns Leid, unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, sprich: Wir brauchen unsere üppig dimensionierten Wohnungen und Häuser, die Scampi und den Nero d’Avola bei unserem Lieblingsitaliener, unsere Flachbildfernseher und unsere Karossen – oder wenigstens unser Luxus-Bike; wir können weder abgeben noch verzichten noch uns einschränken, damit auch ihr leben könnt.

Diese Botschaft ist zynisch, weil sie unsere weltweiten Raubzüge seit Jahrhunderten als Pulsgeber unseres Wohlstands und ihrer Armut und Verzweiflung ausblendet, und sie ist perfide, weil sie noch mehr Leid der Hilfesuchenden unbeeindruckt in Kauf nimmt. Egal wohin man blickt auf dem Globus: Wir sind die Profiteure, bei uns häufen sich Mammon und Ware – und wer sagt, wir haben weder Platz noch Güter, und sei es für Millionen, sagt auch: So und nicht anders soll es sein und bleiben. Ich sage: Das ist eine Melange aus Rassismus und Kannibalismus. Und die will ich in der taz eigentlich nicht lesen. GÜNTER REXILIUS, Mönchengladbach

Lernbereitschaft

betr.: „Die meisten wissen nichts über Syrien“, taz.de vom 5. 10. 15

Was ich in dieser Zeit als das Positivste ansehe, ist die hohe Lernbereitschaft und Lernfähigkeit. Ich habe aktuell den Eindruck, dass sofort reagiert wird, wenn Probleme denn endlich ausgesprochen werden durften und dadurch gesehen, analysiert und verstanden werden konnten.

Allerwichtigstes ist, dass genügend Lehrkräfte sowie soziale Arbeitskräfte eingestellt werden, denn was zum Beispiel von einem größeren Anteil gewaltbereiter junger Männer berichtet wird, sind in Deutschland Jugendliche, die in speziellen Einrichtungen betreut werden, was oftmals mit zerrütteten Familienverhältnissen zu tun hat, wo oftmals auch Gewalt eine Rolle spielt.

WELLE, taz.de

Gering-Verdiener

betr.: „Wir wollen keine Last sein“, taz.de vom 3. 10. 15

Die Begründung für die Notwendigkeit der Senkung der Steuersätze für Flüchtlinge verstehe ich nicht: „Wenn ich in einer anderen Stadt arbeite, brauche ich aber eine Fahrkarte und muss meine Miete irgendwie zahlen. Außerdem habe ich eine Familie zu ernähren.“ Das ist doch für alle anderen (Gering-)Verdiener auch so. WU, taz.de

Skandal

betr.: „Heißer Kopf, kaltes Herz“, taz.de vom 7. 10. 15

Ich bin selber homosexuell, Sozial­arbeiter und habe mit queeren Ge­flüchteten zu tun.

Der größte Skandal ist in meinen Augen das, was hier in einem Nebensatz erwähnt wird: „Oft rieten Sozialmitarbeiter, unsere Beziehung nicht zu zeigen.“

Falsch, liebe Kolleg_innen! Für Trans*- und Homodiskriminierung gibt es keine Entschuldigung und keinen Platz und eure Aufgabe ist es, die Opfer solcher Gewalt zu schützen, null Toleranz zu zeigen, euch klar zu positionieren und wenn nötig die Aggressoren zu entfernen. Wer einem queeren Geflüchteten so etwas rät, der diskriminiert selber! CESARE A., taz.de