Gold glänzt nicht

2.700 Mercedes-Beschäftigte sollen in Bremen ihren Arbeitsplatz gegen eine Abfindung freiwillig räumen, aber etliche von ihnen wollen nicht: Zu wenig das Geld – und zu lausig der Arbeitsmarkt

von Susanne Gieffers

Nein, gut ist die Stimmung nicht. Nicht in den Worten derer, die bei Schichtwechsel das Bremer Mercedes-Werk verlassen und neben „grottenschlecht“ und „beschissen“ noch ein paar Sätze mehr zur Lage im Werk sagen.

8.500 Jobs will DaimlerChrysler bei Mercedes streichen, 2.700 davon in Bremen (siehe Kasten). Die Beschäftigten sollen freiwillig gehen, versehen mit je nach Sichtweise kleinen bis großen Abfindungen. Freiwilligkeit ist Pflicht, denn der geltende Tarifvertrag verbietet betriebsbedingte Kündigungen bis 2012.

Seit zwei Wochen werden im Bremer Werk Gespräche geführt: Jedem Mitarbeiter wird der vergoldete Abschied angeboten. „Aber es reicht nicht“, sagt ein Beschäftigter, 51, der für 15 Jahre Zugehörigkeit 153.000 Euro bekäme. Minus Abgaben bis zu 45 Prozent, so hat er errechnet, bliebe nicht genug bis zur Rente. Und ein neuer Job? „Sie sehen ja, was draußen los ist.“

Vorbild für Mercedes ist der Stellenabbau bei Opel: Allein im Bochumer Werk standen 2.800 Arbeitsplätze auf der Streichliste – rund 2.000 Arbeitnehmer haben hier bereits einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Die Schattenseite: Die Transfergesellschaft, die die Opelaner mit vielen Versprechungen gelockt hatte, steht wegen Leistungsmangels massiv in der Kritik. In Bochum brummt jetzt die Produktion, müssen gar Leiharbeiter angeheuert werden – die sich leicht wieder loswerden lassen.

In Bremen bleibt man da lieber, wo man ist. Zu gering sei das gebotene Geld, sagt ein Mann vorm Mercedes-Werkstor. 115.000 Euro würde der 41-Jährige bekommen, samt so genanntem Turbo-Zuschlag für die, die noch vor Jahresende ihrem Abschied zustimmen. In einer anderen Variante bekäme er weniger Geld und dafür die Hilfe einer privaten Arbeitsagentur bei der Jobsuche. „Aber es gibt ja keine Jobs“, sagt der Mann.

Das sehen Fachleute ähnlich. Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer hatte prophezeit, der Abbau in Bremen dürfte besonders schwer werden: „Da gibt es einfach kaum eine Chance auf einen neuen Arbeitsplatz.“

„Wenn die Leute wollen, finden sie eine neue Arbeit“ – solche Töne sind selten in Bremen-Sebaldsbrück. Sie kommen von einer Frau, die sich als „Führungskraft“ bezeichnet. Sie sagt zudem: „Wir verdienen hier ein Schweinegeld.“ Hohe Standards, die es so kaum mehr gebe, seien der Grund für Skepsis gegenüber den Abfindungen. Sie selbst hat sich bei Airbus beworben, würde ihre Stelle räumen, „damit ein anderer bleiben kann.“

Das Maximum, das einer kriegen kann, wenn er Mercedes freiwillig verlässt, sind 275.000 Euro. Einer, dem diese Summe angeboten wurde, hat abgelehnt. „Es rechnet sich nicht“, sagt der 47-Jährige vor dem Werkstor in Sebaldsbrück. Abgaben gegen Jobchancen aufgerechnet, ist für ihn das Angebot nicht verlockend genug. „Man ist ja auch mit dem Werk verbunden“, sagt er. Seit 21 Jahren arbeitet er hier.

Die Menschen vor den Werkstoren berichten auch von Kolleginnen und Kollegen, die wenig Interesse an den Abfindungsangeboten haben. Der Bremer Betriebsrat bestätigt die Stimmung, spricht von Unsicherheit und von Ängsten. Aber: „Nach jetzigem Stand laufen die Gespräche ordentlich ab“, sagt Betriebsrat Uwe Werner. Für eine Bilanz sei es noch viel zu früh.

Was aber, wenn die Rechnung der Konzernleitung nicht aufgeht? Wenn sich der Trend bestätigt und die Beschäftigten kein Risiko eingehen wollen, auch kein vergoldetes? Betriebsrat wie Management verweisen bisher unisono auf den Beschäftigungspakt – Tenor: Niemand soll Angst haben. Die Realität ist wohl längst eine andere. „Wenn sie jetzt nicht genügend Leute rauskriegen“, sagt ein Mann im Vorbeigehen und lacht gequält, „dann eben ab 2012.“