ortstermin von Larissa Robitzsch
: Zu Besuch auf dem Strich

Undine ist gern Sexarbeiterin  Foto: Larissa Robitzsch

Es ist warm im schummrigen Studio Rex. Die dicken Vorhänge sind zugezogen. Es dringt kein Licht in das „BDSM- und Fetischparadies“ in Hamburg-St. Georg. Einmal im Jahr ist das Etablissement für Neugierige geöffnet. Sexarbeiterinnen zeigen unter dem Titel „Kulturstrich“ ihren Arbeitsplatz.

Die drei Räume passen zu ihren GastgeberInnen. Das orientalische Zimmer in hellen Terracotta-Tönen zu der „Psychiaterin“ Hannah Pax. Das schwarz-martialische Zimmer zu Ophelia, der Frau für das „Skurrile“, und im großen Salon wartet Undine auf BesucherInnen. Der helle Raum ist ausgestattet mit allen Spielzeugen, die das SM-Herz schneller schlagen lassen: Der Frauenarzt-Stuhl für Doktorspiele, an der Wand ein beleuchtetes Andreaskreuz, mitten im Raum eine Liebesschaukel, die Wände verspiegelt.

Undines Arbeitstag beginnt um ein Uhr mittags. Sie arbeitet selten länger als bis 20 Uhr. Am Wochenende hat sie frei. In diesem Beruf gebe es zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Nachfrage. „Da muss man einfach schauen, wann man selbst am liebsten arbeitet“, sagt sie.

Ophelia ist im „Grauen Kabinett“. Die Wände sind schwarz, an der Decke ist eine Diskokugel angebracht, der graue Boden glitzert. In diesem Zimmer wird gefesselt, gepeitscht und fixiert. An der Decke ist eine Fesselstellage mit Flaschenzug angebracht. Eine Fixierungspritsche ist integriert. Doch am skurrilsten zwischen den Leder- und Latexmasken ist das Gummihühnchen in dem schwarzen Stahlkäfig. Ophelia bevorzugt Kunden mit bizarren Wünschen. Ihr mache es Spaß, sich in politisch unkorrekte Phantasien hineinzuversetzen, sagt sie. Auf dem Käfig liegt ein Skript. Die Domina hat ein Drehbuch für einen Kunden geschrieben. In fünf Akten beschreibt sie, wie sie als Kickbox-Trainerin immer mehr Hüllen fallen lässt.

Ob sie die Kunden auch wirklich verletzte, fragt eine ältere Frau mit Pagenschnitt. Das komme immer auf die Wünsche an, antwortet die Sexarbeiterin. Wenn sie mit Nadeln arbeite, fließe nur wenig Blut, bei manchen Kunden auch viel. „Und was ist, wenn man seine Bedürfnisse nicht genau äußern kann?“, fragt eine Seniorin. Dann sei man bei ihr falsch, antwortet Ophelia streng. „Ich schlage dann sehr extreme Sachen vor und das ist nicht immer schön. Meistens wissen die Kunden dann plötzlich doch, was sie sich wünschen.“

Was sonst in dem Studio passiert, kann man sich vorstellen, ein älterer Mann hört gar nicht zu, sondern probiert sich durch das Inventar. Während Hannah Pax von ihren SM-Anfängen in Berlin erzählt, lässt er genüsslich verschiedene Peitschen auf seine Hände schnellen.

In dem Stundenhotel „Blauer Engel“ auf dem Steindamm ist es weniger schillernd und weniger elegant. Die Luft riecht leicht rauchig, das Hotel ist schon etwas in die Jahre gekommen. Hier ist der Arbeitsplatz von Christiane und Tanja – zwei Prostituierte vom nahe gelegenen Steindamm. Die Zimmer sind mit dem Nötigsten eingerichtet. Ein Ikea-Bett steht neben einem alten Sofa. Ein Handtuch und ein Kondom liegen auf dem Bett bereit. Einige Zimmer haben nur ein Waschbecken, die etwas teureren sind renoviert und haben ein eigenes Badezimmer.

Preisabsprachen gebe es auf dem Steindamm nicht, sagt Christiane. Jede müsse selbst entscheiden, für wie viel Geld sie ihren Körper verkauft. Sie habe lieber weniger Kunden am Tag, die einen angemessenen Preis bezahlen, als viele, die wenig bezahlen. Christiane macht immer wieder deutlich, dass sie ihren Job gerne macht. Mit fester Stimme sagt sie: „Weil ich das will.“