Die Zeugen werden wohl schweigen

VERFAHREN Der ehemalige SPD-Sprecher Bülent Çiftlik steht nach zwei Jahren nun wieder vor Gericht

Es ist wie bei einem Familientreffen. Zwei Jahre hat man sich nicht gesehen und nun sind fast alle wieder da: der Angeklagte Bülent Çiftlik, seine Verteidigerin Gabriele Heinecke, Oberstaatsanwalt Elsner, die selben Zeugen, die selben Medienvertreter. Nur der Vorsitzende Richter Heiko Hammann ist neu in dem Verfahren.

Zwei Jahre nachdem der Landgerichtsprozess gegen Çiftlik nach 16-monatiger Verhandlungsdauer im Juni 2013 platzte, weil der Angeklagte nach einem Autounfall in Iniden von den dortigen Behörden monatelang festgehalten wurde, begann am Montag vor der Großen Strafkammer 6 die Neuauflage des Verfahrens gegen den früheren SPD-Sprecher.

Çiftlik wird vorgeworfen, eine Scheinehe zwischen seiner Ex-Lebensgefährtin Nicole C. und seinem Freund Kenan T. vermittelt zu haben, die T. eine Aufenthaltserlaubnis einbringen sollte. Im anschließenden Strafverfahren soll Çiftlik dann mehrere Zeugen systematisch zur Falschaussage angestiftet und gefälschtes Beweismaterial in Umlauf gebracht haben – Delikte, die viel schwerer wiegen als der einstige Vorwurf, eine Scheinehe geschmiedet zu haben.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft gegen ein halbes Dutzend Zeugen, die in Verdacht stehen, uneidlich falsch ausgesagt zu haben, Strafbefehle verschickt oder Strafverfahren eingeleitet. Für Çiftliks Verteidigerin Gabriele Heinecke ist das der Grund, aus dem es „kein faires Verfahren mehr geben kann“. Die Entlastungszeugen werden nun, wie sie zum Teil bereits angekündigt haben, ihre Aussage verweigern, um sich nicht selbst zu belasten, so Heinecke.

Schwierige Verteidigung

Diese „systematische strafrechtliche Verfolgung aller möglichen Entlastungszeugen“, so Heinecke, hätte die Zeugen „zum Schweigen gebracht“. Nun gebe es nur noch eine „erheblich verminderte Möglichkeiten der Verteidigung“ und „ein ordentliches Verfahren ist nicht mehr möglich“. Es müsse also eingestellt werden.

Richter Hammann wies Heineckes Antrag auf Einstellung des Verfahrens zwar ab, sah aber in der von ihr beschriebenen Situation durchaus „ein ernstes Problem“. Allerdings wolle er erst einmal abwarten „was tatsächlich von den Zeugen kommt“ und das Verfahren fortsetzen. Bis auf weiteres jedenfalls.

„Es kann aber sein, dass wir im Laufe des Verfahrens zu einem anderen Ergebnis kommen“, deutete der Richter an. Aus seiner Sicht könnte der Prozess noch platzen. Marco Carini