Nichts ist gut, Genosse Franz
: Kommentar von Ralph Bollmann

Es schien alles gut zu laufen für die SPD. Erst fiel die Wahlniederlage nicht so schlimm aus wie befürchtet, dann musste die Partei weniger Ministerposten an Merkels Mannen abgeben als angenommen, und bei den Koalitionsverhandlungen scheint die Union mehr Punkte aus ihrem Wahlprogramm aufzugeben als erhofft. Alles bestens also in der Logik, in der sich SPD-Funktionsträger seit mehr als hundert Jahren zu bewegen pflegen. Erstens: Die SPD hat mal wieder das Schlimmste verhindert. Zweitens: Sie hat unter der Führung ihres Vorsitzenden wenigstens die Organisation gerettet.

Vor allem für den zweiten Punkt steht die Personalie Kajo Wasserhövel, der Mann also, den Müntefering zum neuen Generalsekretär machen will. Und der Streit darüber zeigt, was spätestens in drei Wochen bei der Analyse der Koalitionsvereinbarung ohnehin an den Tag gekommen wäre. Erstens: Die SPD hat die Wahl am Ende halt doch nicht gewonnen. Zweitens: Es wäre ganz gut, wenn sie sich über die Ursachen ein paar Gedanken machen und dann auch die Lehren daraus ziehen würde. Die CDU musste viel Spott dafür einstecken, dass sie ihre Wahlanalyse am 5. Dezember zwischen 12 und 18 Uhr abhaken will. Bei der SPD ist ein solcher Programmpunkt gar nicht erst vorgesehen.

Alles deutet auf eine Fortsetzung der programmatischen Achterbahnfahrt hin, die das Profil der SPD in den vergangenen sieben Jahren so gründlich abgeschliffen hat: Vom mittlerweile berüchtigten „Schröder-Blair-Papier“ zum staatskapitalistischen „Basta“-Kanzler, der den Baukonzern Holzmann für ein paar Jahre rettete; von der umstrittenen „Agenda 2010“ zu Münteferings „Heuschrecken“-Tiraden im vergangenen Frühjahr.

Zu den Neuwahlen kam es nach allgemeiner Lesart, weil die SPD in der Regierungsverantwortung zu viele Kompromisse machen musste. Geändert hat sich seit dem Frühjahr nur, dass Müntefering und der künftige Exkanzler Gerhard Schröder im Wahlkampf kräftig gegen Turbokapitalisten wetterten – und dass die SPD statt mit den Grünen künftig mit der Union regieren wird. Wie er diese beiden Neuerungen zusammenbringen will, hat Müntefering bislang nicht erklärt.