Angst vor dem Frieden in Kaschmir?

Ein mögliches Motiv für die Anschläge in Delhi: die Annäherung zwischen Indien und Pakistan nach dem Erdbeben

Für die Vertreter des bewaffneten Kampfs sind Grenzöffnungen eine Aufweichung der Fronten

DELHI taz ■ Am Sonntag übernahm eine Gruppe „Islamic Inqilab Mahaz“ die Verantwortung für die Anschläge und drohte weitere an, „bis Indien seine unmenschlichen Aktivitäten in Kaschmir einstellt“. Aus Polizeikreisen verlautete, es handle sich um eine Gruppierung, die sich seit 1996 nicht mehr aktiv betätigt habe. Wichtiger war der Hinweis, dass sie Verbindungen mit „Lashkar e-Tayyba“ hat, einer der größten Untergrundorganisationen, die in Afghanistan wie in Kaschmir tätig ist.

Die Gruppe ist in Pakistan verboten. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass sie mit Unterstützung aus Armeekreisen weiterhin Aktionen durchführt. Indische Experten sind der Meinung, dass nur eine der großen Untergrundorganisationen wie Lashkar oder „Jaish e-Mohammed“ über die nötige Logistik verfügt, um in der indischen Hauptstadt gleichzeitig mehrere Anschläge durchzuführen. Sowohl die Polizei als auch die Regierung waren aber bemüht, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen.

Ein mögliches Motiv für den kaschmirischen Terroruntergrund könnten die politischen Wirkungen des Erdbebens sein. Nur Stunden nach den Anschlägen einigten sich Indien und Pakistan darauf, innerhalb von einer Woche fünf Grenzpunkte entlang der Waffenstillstandslinie zu öffnen, um Hilfsgüter in beiden Richtungen durchzulassen und Erdbebenopfern zu ermöglichen, auf der anderen Seite Hilfe zu empfangen. Dies wird allerdings vorerst nur der lokalen Bevölkerung Linderung bringen, da die Überquerung für Fahrzeuge weiterhin nicht vorgesehen ist. Für die Vertreter einer Ideologie des bewaffneten Kampfs sind aber bereits solche Gesten der Beginn einer Aufweichung der Fronten, die es zu verhindern gilt. Ein zweites mögliches Motiv, das noch stärker auf einen Urheberschaft der Lashkar hindeuten würde, ist die Rache für die Verurteilung der Lashkar-Kämpfer, die im Jahr 2000 bei einem Angriff im „Roten Fort“ von Delhi drei Soldaten erschossen hatten. Das Urteil in diesem Fall durch ein Gericht in Delhi war just im Augenblick erwartet worden, als in einigen Kilometern Entfernung die Sprengsätze hochgingen. Der Richter hatte erst Stunden zuvor seine Urteilsverkündung auf den nächsten Montag verschoben. BERNARD IMHASLY