Sydney Leroux (USA) is in the game Fotos: Fifa 16

Die Frau als Zusatzfeature

Digitaler Kick Mit ihrem neuesten Ableger bietet die „Fifa“-Reihe erstmals interaktiven Frauenfußball an.
Doch auch bei „Fifa 16“ bleiben die weiblichen Spitzenteams mal wieder Randerscheinung

von Nina Kiel

Seit 1993 ist die „Fifa“-Reihe eine feste Instanz im Videospielgeschäft. Im gleichen Jahr gestattete man deutschen Frauenteams erstmals offiziell, 90 Minuten Fußball zu spielen – wie die männlichen Kollegen eben. Zuvor durften sie lediglich erst 70, später 80 Minuten ran. Gemäß den Vorgaben des Deutschen Fußball-Bunds mussten sie zudem wegen ihrer „schwächeren Natur“ auf Stollenschuhe verzichten und eine lange Pausen einlegen.

2015, so scheint es, hat der Frauenfußball einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Einerseits durch die Weltmeisterschaft in Kanada, die mehr öffentliche Aufmerksamkeit genoss als jede andere WM zuvor, andererseits durch die Integration fußballspielender Damen in eines der erfolgreichsten Sportspiele der Welt. Mit „Fifa 16“ hat die US-Firma Electronic Arts (EA) laut eigener Aussage einem besonders häufig geäußerten Fan-Wunsch nachgegeben und kostspielige Technik genutzt, um die Bewegungsabläufe der weltbesten Spielerinnen ähnlich realitätsnah abbilden zu können wie die der männlichen Profis.

Dieser Realitätsanspruch ist es, der „Fifa“ seit Jahren auszeichnet: Dank der Lizenzierung durch die Fifa und zahlreiche nationale Verbände, verfügt die Reihe über ein großes Repertoire von Ligen und Mannschaften, deren Spieler per „Motion Capture“ abgefilmt wurden.

Es handelt es sich um ein Verfahren, bei dem durch die Nutzung spezieller Kameras und eigens für diese Technik entwickelter Ganzkörperanzüge menschliche Regungen direkt auf ein computergeneriertes 3-D-Modell übertragen werden können. So ist es möglich, die individuellen Bewegungsmuster der Fußballer zu erfassen und sie originalgetreu darzustellen. Das Streben der Entwickler nach Authentizität sorgt allerdings nicht dafür, dass das vermeintlich revolutionärste Feature der Reihe auch nur ansatzweise sichtbar beworben wird.

Männer in Posen

Blickt man auf die offizielle Webseite zum Spiel oder anderes Marketingmaterial, präsentiert sich das gleiche Bild wie in den Jahren zuvor: Fotos von männlichen Fußballstars in dynamischen Posen begleiten die zahlreichen Werbeversprechen, von der verbesserten künstlichen Intelligenz bis zu „magischen Momenten“.

Die Idee: ein neues digitales Spiel und mal ältere, mal neuere Philosophie/politische Theorie kombinieren.

Das Spiel: „Fifa 2016“ ist im September 2015 erschienen. Erhältlich ist es für PC, Playstation 3 und 4 sowie Xbox One und 360.

Die Literatur: de Beauvoir, Simone: „Le Deuxième Sexe“ („Das andere Geschlecht“), 1949.

Die Fußballerinnen glänzen durch Abwesenheit. Bis man zum unteren Ende der Seite scrollt. Im ersten Video, dem man auf der Homepage begegnet, sind genau drei Frauen zu sehen – allesamt als Zuschauerinnen, eine davon gesichtslos im Hintergrund.

Der digitale Frauenfußball erleidet damit ein ähnliches Schicksal wie seine analoge Vorlage. Weniger rentabel als jener der Männer, wird er mit weit geringeren Budgets bezuschusst, fristet ein Nischendasein. Gerade dieser Sport ist eine Männerdomäne, in der Frauen lediglich ein paar Eckbereiche, kleine Felder auf dem Rasen und im Webdesign für sich beanspruchen dürfen. Und auch in „Fifa 16“ sind die Frauen wenig auffällig. Durch die Einbindung von lediglich zwölf weiblich besetzten Teams entfallen zwei der populärsten Spielmodi – namentlich der Karriere- und „Ultimate Team“-Modus – die eine größere Auswahl von Spielern erfordern. Lediglich der „Match Day“, Offline-Meisterschaften und Online-Freundschaftsspiele können mit weiblichen Spielern bestritten werden. Und das ausschließlich gegen andere Frauenteams.

Den Prozess des Ab- bzw. Ausgrenzens von Weiblichkeit thematisierte Simone de Beauvoir bereits 1949 in ihrem Werk „Le Deuxième Sexe“ (“Das andere Geschlecht“). Wie sie damals schrieb, werde der Mann als handelndes Subjekt, als Norm wahrgenommen, die Frau hingegen als Abweichung vom Standard und nicht selten als Accessoire.

So verwundert es nicht, dass derart oft von „Spielerfrauen“ die Rede ist, und der Frauenfußball eben nicht einfach Fußball sein darf. „Die Menschheit ist männlich, und der Mann definiert die Frau nicht an sich, sondern in Beziehung auf sich; sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen.“ Von dieser These ausgehend, sind auch die zahlreichen Reaktionen aus der Spielerschaft wenig überraschend. Unermüdlich ließ und lässt man sich dort über die Überflüssigkeit des Frauenfußballs aus, über die eigentliche Unfähigkeit von Weltklassespielerinnen – und bittet sie bisweilen offen darum, an den Herd zurückzukehren.

Oder man verweist auf die ungeahnten erotischen Vorzüge des Trikottauschs und erstellt alternative Cover für das Spiel, auf denen kaum bekleidete, großbusige Frauen mit Fußbällen abgebildet sind.

Mit lediglich zwölf weiblichen Teams entfallen die populärsten Spielmodi

Die solchen Aktionen zugrunde liegende Denkweise ist gerade in der Videospielszene immer noch weit verbreitet: Frauen werden zunächst anhand ihres Erscheinungsbildes und dann aufgrund ihrer Leistungen beurteilt. „Die Frau [...] weiß, dass man sie, wenn man sie anschaut, nicht von ihrem Äußeren unterscheidet: Sie wird über ihre Aufmachung beurteilt, geachtet, begehrt“, schrieb Beauvoir dazu.

Seit ihren Lebzeiten mag sich diesbezüglich einiges geändert haben, abwertende Äußerungen über Fußballspielerinnen sind dennoch weiterhin an der Tagesordnung; und Vorschläge wie jener Sepp Blatters, die Fußballerinnen mit „feminineren“ Kleidungsstücken auszustatten, um Aufmerksamkeit zu generieren, keine Überraschung.

Aber gerade im Hinblick auf „Fifa“ stellt sich die Frage, warum eigentlich derart vehement gegen die Frauenquote protestiert wurde. Was genau spricht gegen ein zusätzliches Angebot, das der Qualität des Spiels keinen Abbruch tut und auf dessen Nutzung man im Zweifelsfall einfach verzichten kann? Und: Kann, wie vielfach angemerkt, ein Hallenfußballmodus wirklich wichtiger sein, als nach Jahrzehnten der Ausgrenzung endlich auch die andere Hälfte der Weltbevölkerung zu integrieren?

Simone de Beauvoir kam zu dem Schluss, dass es die „Aufgabe des Menschen“ ist, „dem Reich der Freiheit inmitten der gegebenen Welt zum Durchbruch zu verhelfen“. Und „damit dieser höchste Sieg errungen werden“ könne, sei es „unter anderem notwendig, dass Männer und Frauen über ihre natürlichen Unterschiede hinaus unmissverständlich ihre Geschwisterlichkeit behaupten“.

Jonelle Filigno, Team Canada, wird 3-D-Modell

Frauen in prominenter Rolle

An dem Problem der ökonomischen Kluft zwischen dem Frauen- und Männerfußball wird eine solche Solidaritätsbekundung natürlich zunächst nichts ändern. Ersterer ist zu deutlich unterfinanziert, um sich im sportlichen Wettbewerb behaupten zu können, daher erscheint es auch plausibel, dass er eine nur untergeordnete Rolle im aktuellen „Fifa“-Titel spielt.

Es wäre jedoch ein sehr positives Signal, wenn man auf Schmähungen verzichten und, besser noch, den Frauen eine prominentere Rolle im Werbekontext zugestehen könnte. Denn nur so lässt sich glaubhaft vermitteln, dass Mädchen und Frauen einen Platz im Fußball einfordern dürfen – und ihn vielleicht sogar irgendwann erweitern können.