Neues Kuchen-Rezept

Gegenseitige Anmache mit anschließendem Erfolg: Der MSV Duisburg entdeckt die Vorzüge intimer Runden

DUISBURG taz ■ Am Ende feierten die Duisburger mit ihren Fans wie kleine Kinder und freuten sich über die ungewohnten Glücksgefühle. Nach dem 1:0-Erfolg über den VfL Wolfsburg standen beim MSV freundlichere Themen als zuletzt im Vordergrund. Mindestens ein Mal wöchentlich setzten sich Spieler und Trainer im Oktober zusammen, um die Gründe für ihre miserablen Leistungen zu erörtern. „Es hat gefruchtet“, freute sich Keeper Georg Koch nach dem zweiten Saisonsieg.

„Stellenweise haben wir uns ganz sachlich ausgekotzt“, meinte Koch, der über detaillierte Gesprächsinhalte allerdings nichts verraten wollte. „Dass ist wie mit den Müttern, die ihre leckeren Kuchenrezepte für sich behalten“, begründete Koch seine Verschwiegenheit. Stürmer Markus Kurth gewährte einen etwas tieferen Einblick. „Nach unseren schlechten Spielen knallten wir uns alle gegenseitig an den Kopf, was einen am anderen stört. Manche reagierten schon etwas beleidigt, alle haben es aber eingesehen“, sagte Kurth, der neben Koch als Wortführer bei den mannigfaltigen Aussprachen galt. Immer wieder war es dieses Duo, dass sich mit Vehemenz gegen die Niederlagen stemmte, den Abwärtstrend mit Pleiten gegen Frankfurt, Bayern und 1860 München (Pokal) aber alleine nicht verhindern konnte. „An der Ehre gepackt“ habe man daher die Teamkollegen erzählte Kurth, der in der 57. Minute das entscheidende Tor von Alexander Bugera vorbereitete: „Oft ist das nur Geschwafel, aber diesmal setzten wir es um.“

Mit einem überdimensionalen Transparent „Einsatz, Wille und Kampf regieren hier – und Du“, hatten die MSV-Fans bereits vor dem Anpfiff gegen Wolfsburg die Charakterfrage gestellt. Sie wurde positiv beantwortet. Über 90 Minuten mühte sich der Aufsteiger und kämpfte seine formschwachen Gäste schlichtweg nieder. „Grätschen und rennen kann richtig Spaß bereiten, wenn alle mitmachen“, fand Spielgestalter Dirk Lottner. Ihm wurde im Mittelfeld erstmals Markus Anfang zur Unterstützung an die Seite gestellt . Der Adjutant machte seine Sache ordentlich und durfte sich als doppelter Sieger fühlen, während Mannschaftskollege Ivica Grlic auf die Tribüne strafversetzt wurde. „Wir haben so aggressiv gespielt, wie es sein muss, wenn man in der Bundesliga bestehen will“, sagte Anfang und entschuldigte, dass man spielerische Mittel im Abstiegskampf nicht erwarten könne.

In Duisburg macht das ohnehin keiner. Trainer Norbert Meier hat seine Ansprüche längst heruntergeschraubt und atmete beseelt durch, „weil wir uns wieder in einer angenehmeren Tabellensituation befinden.“ Der Anschluss im Kampf um den Klassenerhalt wurde hergestellt, nicht viele hatten das dem zwar engagierten, aber deutlich limitierten MSV überhaupt noch zugetraut. „Die Mannschaft lebt“, unterstrich Meier. Selten wurde der Teamgeist so glorifiziert wie nun in Duisburg.

Die Frage, ob Kampf alleine reicht, um nach 34 Spieltagen die Rettung zu feiern, wollten sie an diesem Wochenende noch nicht beantworten. Als zu anspruchsvoll gestalten sich die nächsten Aufgaben mit zwei Auswärtsspielen in Schalke und Hamburg. „Machen wir uns nichts vor, die meisten Teams sind spielerisch stärker als wir“, meint Kurth. „Wenn wir so auftreten, wie gegen Wolfsburg, schaffen wir auch auf Schalke was“, bewahrte zumindest der MSV-Vorsitzende Walter Hellmich seinen Optimismus. Vor fünf Jahren war der Bauunternehmer an der Fertigstellung der Schalker Arena maßgeblich beteiligt, nächsten Samstag will er seinen Kumpel Rudi Assauer ärgern. Sollte es nicht klappen, müssen sie in Duisburg eben noch ein paar Gesprächszirkel abhalten.

ROLAND LEROI