heute in Bremen
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„Menschlicher Impuls“

INFOABEND Eine Therapeutin berät Ehrenamtliche zum Umgang mit traumatisierten Geflüchteten

Sabine Müller

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51, ist psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis für Traumatherapie und Trauerbegleitung sowie ehrenamtliche Mitarbeiterin des Bremer Vereins Refugio.

taz: Frau Müller, können Ehrenamtliche ohne Fachwissen überhaupt den richtigen Umgang mit traumatisierten Menschen finden?

Sabine Müller: Ehrenamtliche engagieren sich da, wo Not ist, und das ist erst einmal gut. Die Fähigkeit des Mitfühlens ist wichtig und ein guter und menschlicher Impuls, um helfen zu können. Allerdings reagieren traumatisierte Menschen oft anders als erwartet und das kann durchaus belastend sein.

Wie sehen solche unerwarteten Reaktionen aus?

Das äußert sich sehr unterschiedlich, aber beispielsweise kann es sein, dass jemand in der sogenannten Schockphase kalt und abweisend wirkt.

Was kann man als HelferIn dann tun?

Man sollte gut auf sich selbst aufpassen und eigene Grenzen ziehen. Nur so kann man offen bleiben für die Menschen. Man darf auch spüren und vor allen Dingen auch zugeben, dass man vielleicht überfordert ist oder mal eine Pause braucht – das hat nichts mit Versagen zu tun.

Viele HelferInnen machen aber deswegen keine Pause, weil sie niemanden sehen, der sie ersetzt ...

Ehrenamtliches Engagement trägt ganz viel zur Integration bei, darf aber nicht professionelle Hilfe ersetzen. Die Psychotherapeutenkammer schätzt, dass rund die Hälfte aller Flüchtlinge traumatisiert ist. Das können Ehrenamtliche nicht bewältigen. Auch wir als TherapeutInnen gehen momentan mit einer Situation um, in der alle Praxen überlaufen sind, weil es viel zu wenig Fachleute gibt.

Was kann passieren, wenn freiwillige HelferInnen Traumata nicht erkennen oder nicht in der Lage sind, sich abzugrenzen?

Man spürt das Trauma eines anderen Menschen, es geht unter die Haut – auch mir und meinen KollegInnen. Im schlimmsten Fall kann das zu sekundären Traumatisierungen führen: Die HelferInnen entwickeln selbst Symptome wie beispielsweise Albträume. Das sollte verhindert beziehungsweise erkannt werden.

Wie kann man das als Laie lernen?

Die Ehrenamtlichen müssen wissen, dass sie nicht allein arbeiten, sondern dass sie Teil eines Netzes sind und dass sie Zugang zu Informationen und AnsprechpartnerInnen haben. Der Austausch in diesem Netzwerk ist ganz wichtig. Interview: SCHN

19 Uhr, Freiwilligen-Agentur, Dammweg 18–20

Anmeldung unter Tel. 34 20 80 oder info@freiwilligen-agentur-bremen.de