Pech für realsozialistische Familienarbeiterinnen

Altersarmut Hausfrauen, die zu DDR-Zeiten geschieden wurden, haben keine Rentenansprüche. Exmänner müssen nicht teilen

DDR-Frauenbrigade bei einem feucht-fröhlichen Ausflug 1982: Dass Frauen arbeiteten, war auch im Osten nicht immer selbstverständlich, denn anfangs gab es keine flächendeckende Kinderbetreuung Foto: Thomas Kläber

von Astrid Springer

HAMBURG taz | Als ihre Kinder in den fünfziger und sechziger Jahren klein waren, fehlte in der DDR noch die flächendeckende Kinderbetreuung. Wie die Mütter im Westen blieben damals viele Frauen im Osten um der Familie willen zu Hause. Heute müssen etliche von ihnen dafür büßen – mit Altersarmut. Denn in der DDR geschiedenen Hausfrauen fehlen Rentenansprüche für diese Zeit.

Die um 1930 geborenen Ehefrauen und Mütter, die seit den Siebzigern bis zum Ende der DDR geschieden wurden, gehören zu den großen Verliererinnen der deutschen Einheit. Im Gegensatz zu den Frauen im Westen erhalten sie keinen Versorgungsausgleich, viele leiden unter Armut. Der Versorgungsausgleich regelt die Aufteilung der Rentenansprüche bei der Trennung eines Paares. Ursprünglich waren schätzungsweise 800.000 Frauen von der Benachteiligung betroffen; inzwischen sind es noch 300.000.

Eine von ihnen ist Margit Strelow*. Sie lebte in Eisenach, als ihre drei Kinder Mitte des vergangenen Jahrhunderts zur Welt kamen. 1973 hat sie sich scheiden lassen. Als sie vor der Geburt des ersten Kindes beim Rat der Stadt Eisenach einen Krippenplatz beantragt hatte, wurde der Buchhalterin und Sekretärin beschieden: „Sie sind ja versorgt, Sie sind verheiratet, und Sie haben keinen volkswirtschaftlich wichtigen Beruf. Da können wir nichts tun.“

Als Ärztin etwa wäre sie „volkswirtschaftlich wichtig“ gewesen. Sie habe damals die Welt nicht mehr verstanden, erinnert sich Margit Strelow: „Ich bin mit meinem dicken Bauch die Treppe in diesem Haus runtergegangen und hab geheult.“

Statt Versorgungsausgleich hatte die DDR ein anderes System, Hausfrauen abzusichern. Sie bekamen für wenig Geld Marken, die sie in ein kleines Buch klebten, berichtet die auf Genderfragen spezialisierte Beraterin Marion Böker. Mit den Marken konnten Frauen rentenrelevante Zeiten nachweisen. „Damit wurde ihre Rente komplett aufrechterhalten, denn sie taten ja gesellschaftlich wichtige Arbeit“, sagt Böker, die Mitglieder des 1999 gegründeten „Vereins der in der DDR geschiedenen Frauen“ berät.

Nach der Wiedervereinigung konnten die Frauen mit ihren DDR-Marken nichts mehr anfangen. Aber auf die Rentenansprüche der Exmänner hatten sie auch keinen Zugriff. Denn einen rückwirkenden Versorgungsausgleich für Scheidungen in der DDR schließt der Einigungsvertrag aus. Die geschiedenen Hausfrauen wurden nicht einfach vergessen, sagt Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik in der Verdi-Bundesverwaltung und Vorstandsmitglied der Deutschen Rentenversicherung Bund. „Es war eine ganz bewusste Entscheidung der Politik: Für diese Frauen hätte man einen Ausgleich finden müssen. Dieser Ausgleich hätte Geld gekostet“, sagt die Juristin. „Dieses Geld hätte aus Steuermitteln genommen werden müssen, und diese Bereitschaft war nicht da.“

Die im „Verein der in der DDR geschiedenen Frauen“ Organisierten zogen bis zum Bundesverfassungsgericht. Doch das wies die Klage ab. Der Europäische Gerichtshof nahm die Klage erst gar nicht zur Entscheidung an – eine Begründung dafür fehlt bis heute. „Es ist nicht möglich, rückwirkend die Männer zur Verantwortung zu ziehen und diesen Versorgungsausgleich rückwirkend durchzuführen“, erklärt Kerschbaumer das juristische Problem. Denn die Männer müssten Rentenansprüche an ihre Exfrauen abtreten. Das käme einer Enteignung gleich und verstoße daher gegen das Grundgesetz.

Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage der Frauen ab

Die Vereinsfrauen haben auch versucht, auf eine politische Lösung zu drängen. Sogar mit der frisch gewählten Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen sie im März 2006. Die Kanzlerin versprach, sich der Sache anzunehmen. Bis heute haben die Frauen nichts von ihr gehört.

Im Gegensatz zur Bundesregierung hat sich der Bundesrat bereits zweimal für die DDR-Geschiedenen eingesetzt: das erste Mal im Jahr 2000 und das zweite Mal zehn Jahre später. Zuletzt hatten sich die Länder Berlin und Mecklenburg-Vorpommern für die Frauen stark gemacht. Doch die Vorstöße scheiterten. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering bleibt bei seiner Überzeugung, dass „da ein vereinigungsbedingtes Unrecht“ vorliegt: „Aber die Bereitschaft, an diese großen Fragen noch einmal heranzugehen, die ist sehr gering.“

*Name geändert