Unis haben keine Wahl

Wissenschaftssenator korrigiert Studiengebührenpläne: Hamburgs Hochschulen sollen zu Fixpreisen verpflichtet werden. Denn ein Preiskampf sei riskant, sagt Jörg Dräger im taz-Interview und verspricht, mit Geld „keine Löcher zu stopfen“

„Ein Monitoring soll prüfen, ob die Gebührenhöhe vernünftig ist“

Interview: Eva Weikert

taz: Herr Dräger, möglichst schon nächstes Jahr um diese Zeit sollen Studenten in Hamburg für die Uni Gebühren zahlen. Derzeit arbeiten Sie den Gesetzentwurf dafür aus. In Niedersachsen werden alle Hochschulen verpflichtet, Gebühren zu nehmen. Sie hingegen haben stets betont, das Bezahlstudium nur erlauben und auch die Höhe bis zu 500 Euro freistellen zu wollen. Bleibt es dabei?

Jörg Dräger: Die gebührenbefürwortenden Länder haben verschiedene Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um zu sehen, was in Deutschland rechtlich möglich ist. Diese Expertisen sehen die rechtlichen Möglichkeiten restriktiver, als wir uns das gewünscht haben. Wollen wir nicht das Risiko von Klagen eingehen, müssen wir sicherstellen, dass in jedem einzelnen Fall das Verhältnis zwischen den tatsächlichen Kosten eines Studiengangs und der erhobenen Gebühr immer vergleichbar ist. Die Kosten aller Studiengänge unter allen Hochschulen abzugleichen, wäre aber ein riesiger Aufwand. Insofern prüfen wir, ob es nicht sinnvoller ist, wenn es grundsätzlich eine Gebühr von 500 Euro im Semester gäbe, die Hochschulen aber für besondere Leistungen und besondere soziale Härten Erlasse gewähren könnten.

Ich interpretiere daraus, dass Sie die Hamburger Hochschulen gesetzlich zur Erhebung einer Einheitsgebühr von 500 Euro verpflichten werden, ihnen Stipendien für soziale Härtefälle vorschreiben und Stipendien für besondere Leistungen erlauben wollen.

Vorstellen werden wir unser Modell, wenn wir so weit sind. Aber den Ansatz, die Hochschulen zu berechtigen, Stipendien für besondere Leistungen und Härtetatbestände zu geben, diskutieren wir sehr ernsthaft.

Bei einer Einheitsgebühr entsteht aber kein Wettbewerb, für den Sie doch so werben.

Der Wettbewerb findet doch statt – darin, den Leistungsbesten Stipendien zu gewähren. Wenn eine Hochschule absolut exzellent ist, braucht sie weniger Stipendien zu gewähren und trotzdem laufen ihr die Studenten die Türen ein.

Die hiesige Kunsthochschule will keine Gebühren erheben.

Es gibt konstruktive Gespräche mit allen Hochschulen. Wir wollen ihnen ja maximale Flexibilität ermöglichen. Bei den Stipendien könnte man auch eine strikte Quotierung festlegen. Aber wir meinen, dass es an jeder Hochschule andere Bedürfnisse und Interessen gibt.

Niedersachsen hält an der Langzeitstudiengebühr fest. Sie wollten diese Abgabe bei Etablierung des allgemeinen Bezahlstudiums wieder streichen. Halten Sie Ihr Versprechen?

Wir werden die Details, wie gesagt, in Kürze vorstellen.

Die Uni hat einen Jahresetat von 250 Millionen Euro. Die Einnahmen durch Gebühren würden nicht mal zehn Prozent davon ausmachen. Aus meiner Sicht sind sie nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Uni beklagt eine Unterfinanzierung in Millionenhöhe.

Das ist nicht richtig. Die Unterfinanzierung der Uni ist durch die Absenkung der Studienanfängerzahlen im Grundsatz bereinigt, auch wenn diese Absenkung in einigen Bereichen noch vollzogen wird. Im Prinzip dienen die Gebühren also nicht dem Löcherstopfen für die Unterfinanzierung, sondern um neue oder bessere Leistungen zu ermöglichen.

Was kann erreicht werden?

Die Uni mit 40.000 Studierenden könnte maximal 40 Millionen Euro einnehmen. Nur ein Bild: 35 Millionen Euro entsprächen 350 Professuren. Das ist sehr viel Geld, um die Ausstattung mit Personal, Räumen und Lehrmaterial zu verbessern ...

... oder die Fassade des Geomatikums zu sanieren ...

Nein, die Gebühren sollen grundsätzlich der Lehre zukommen. Die Sanierungsproblematiken werden wir grundsätzlich anders lösen. Wenn aber eine Hochschule sich entscheidet, studentische Arbeitsräume auch durch Gebühren zu finanzieren, dann kämen sie sehr wohl direkt der Lehre zu.

Wer garantiert, dass die bezahlte Leistung beim Studenten ankommt?

Letztendlich der Gesetzgeber, weil er ins Gesetz schreibt, dass das Geld zur Verbesserung der Lehre eingesetzt werden soll. Insofern muss das im Jahresbericht der Universität und in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen nachzuweisen sein. Im operativen Geschäft müssen die Hochschulen Mechanismen aufbauen, die die Geldverwendung transparent machen. Dazu kann auch gehören, dass die Studierenden mitbestimmen können, wo das Geld am sinnvollsten eingesetzt wird.

Auf lange Sicht brauchen wir also keine höhere Gebühren?

Wir haben vom Verfassungsgericht eine Grenze auferlegt bekommen. Die Kultusminister erwägen, jetzt ein Monitoring zu etablieren, um positive oder negative Veränderungen des Studierverhaltens durch Gebühren festzuhalten. So kann man prüfen, ob die Gebührenhöhe vernünftig ist. Bei einer Einheitsgebühr muss es nicht bleiben.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Länder ermahnt, die Gebühren sozial abzufedern, also Studiendarlehen anzubieten. Was wird Hamburg dafür tun?

Wir arbeiten zusammen mit der (Bund und Ländern gemeinsam gehörenden, Anm. d. Red.) Kreditanstalt für Wiederaufbau daran, wie wir einen Studienkredit anbieten können. Dabei müssen wir uns als Hamburger überlegen, wie wir das Risiko, dass nicht alle zurückzahlen können, verteilen. Das kann über den Zins erfolgen, der dann steigt. Oder man kann politisch entscheiden, den Zins niedrig zu halten – dann muss es eine andere Absicherung geben. Ich finde das wesentlich vernünftiger. Die Frage ist, ob die Hochschulen nicht selbst eine gewisse Risikovorsorge aus den Gebühreneinnahmen leisten sollten, wenn sie diese vollständig bekommen. Das ist ein Modell, das wir mit ihnen zurzeit diskutieren.