Obamas Vorbeter

Gerade einmal 24 Stunden hat es gedauert. Am Dienstag gab das Organisationskomitee für die Amtseinführung Barack Obamas am 20. Januar bekannt, dass Louie Giglio, 54, dabei ein Gebet sprechen wird. Und schon einen Tag später ist das Netz voll entgeisterter Kommentare, nachdem der linksliberale Blog Think Progress einige Passagen aus einer Predigt Giglios aus den 90er Jahren veröffentlichte. „Homosexualität ist kein alternativer Lebensstil, Homosexualität ist nicht eine bloße sexuelle Präferenz, Homosexualität ist Sünde!“, predigt Giglio da. Und sie sei überwindbar – durch die heilenden Kräfte Jesu Christi. Christen müssten offensiv gegen die Schwulen- und Lesbenbewegung vorgehen, denn die wolle dafür sorgen, „dass der homosexuelle Lebensstil in unserer Gesellschaft als Norm anerkannt“ würde. Das dürfe man nicht zulassen.

Er empfinde es als „Privileg, die Möglichkeit zu haben, unsere Nation bei der kommenden Amtseinführung im Gebet zu führen“, erklärte Giglio am Dienstag. Auf Versuche verschiedener Medien, den Prediger der Passion City Church aus Atlanta, Georgia, zu einer Stellungnahme zu bewegen, ob sich seine Einstellung zu Homosexualität inzwischen geändert habe, reagierte er hingegen bislang nicht.

In den 90er Jahren hatten Louie Giglio und seine Frau Shelley an verschiedenen Universitäten in den Südstaaten unter dem „Passion“-Banner eine religiöse Studentenbewegung aufgebaut. Tausende kamen zu den Gottesdiensten des Missionars. Im Jahr 2000 richtete er in Texas eine Open-Air-Veranstaltung aus – 40.000 Jesusjünger kamen, größtenteils StudentInnen. Von da aus ging es in den kommenden Jahren auf Welttour: Großveranstaltungen in Hongkong, London, Sydney, Tokio, Vancouver, São Paulo und Manila folgten. Giglio ist auch Autor einer Reihe von Büchern über religiöse Lebensweise.

Warum Obama ausgerechnet Giglio für die Amtseinführung ausgewählt hat, kann sich die Schwulen- und Lesbenszene hingegen nicht erklären. Hatte Obama doch schon 2009 einen Riesenärger bekommen, als er den offen schwulenfeindlichen Prediger Rick Warren das Gebet sprechen ließ. BERND PICKERT