Im Wohnzimmer der Häfen

WEIHNACHTEN Die Seemannsmission beschert Besatzungen. Die kämpfen mit Stress – und den psychischen Belastungen des Flüchtlingsdramas

Viele der Seeleute sahen Leichen im Wasser treiben. Andere wurden Opfer von Piratenüberfällen

Die Deutsche Seemannsmission hat in diesem Jahr rund 54.000 Geschenkpäckchen geschnürt, mit denen sie bis zum Weihnachtsfest Seeleute aus der ganzen Welt bescheren will. Sie würden von 16 Inlands- sowie weiteren 16 Auslandsstationen der Seemannsmission verteilt, sagte Generalsekretärin Heike Proske am Montag.

„Viele der weltweit etwa 1,2 Millionen Seeleute auf den Handelsschiffen sind zum Fest nicht bei ihren Familien, weil der Bordalltag das nicht zulässt“, sagte die leitende Theologin. „Da sind die Päckchen das Zeichen: Wir denken an euch.“ Haupt- und Ehrenamtliche der evangelischen Seemannsmission mit ihrer Zentrale in Bremen kommen in diesen Tagen zu kurzen Besuchen an Bord oder bereiten in Clubs und Heimen an Nord- und Ostsee Weihnachtsfeiern vor.

Auf den Schiffen sei alles eng getaktet und richte sich selbst an den Festtagen nach Fahrplänen, sagte Proske. Umso wichtiger seien die Treffpunkte der Seemannsmission, die einen Ruhepol böten: „Das sind die Wohnzimmer der Häfen, in denen Zeit ist, Abstand zu gewinnen vom stressigen Alltag an Bord.“ Überdies berichteten Seeleute immer wieder von psychischen Belastungen, die das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer bei ihnen auslöse und mit denen sie zu kämpfen hätten, ergänzte Proske. Viele sähen Leichen im Wasser treiben. Andere seien Opfer von Piratenüberfällen geworden. Auch in diesen Erinnerungen stünden ihnen Mitarbeitende der Seemannsmission als Seelsorger zur Seite.

In den Weihnachtspäckchen sind kleine Überraschungen wie Selbstgestricktes, Süßigkeiten, Kekse oder praktische Dinge wie Telefonkarten und kleine Rucksäcke. In Rostock sind in den zurückliegenden Wochen sogar Weihnachtsbäume an Bord geschafft worden. Vielerorts ziehen Posaunenchöre mit Weihnachtsliedern durch die Häfen. „Wir verschenken in diesem Jahr Stirnlampen“, gab Christine Freytag vom Bordbesuchsdienst in Bremerhaven ein Beispiel.

An der Wesermündung ist der Seemannsclub „Welcome“ unter anderem mit einem schwebenden Engel unter der Decke, mit Weihnachtsgirlanden, Stroh­sternen und bunten Tellern geschmückt. Australian-Shepherd-Rüde „Sparky“ begrüßt die Gäste freudig. Er vermittele den Seeleuten ein Gefühl von Heimat, sagte Seemannsdiakonin Antje Zeller. (epd)