Endlich einen Thermostat

WÄRMEDÄMMUNG Bisher legten die chinesischen Behörden wenig Wert auf energieeffizientes Bauen. Doch das ändert sich jetzt. Deshalb kann Frau Niu in ihrem Wohnzimmer in einem Plattenbau von Tangshan neuerdings den Wintermantel ausziehen

Ein Drittel der Energie wird für Bau, Heizung und Kühlung von Gebäuden verbraucht

TANGSHAN taz | Eisige Böen schütteln die letzten Blätter von den Bäumen der Millionenstadt Tangshan, zwei Zugstunden östlich von Peking. In der Wohnung von Frau Niu und ihrer alten Mutter ist es angenehm warm. Zum ersten Mal seit 22 Jahren, als sie in den Plattenbau des „Hebei-Viertels Nr. 1“ einzog, braucht sie nur einen Pulli zu tragen. „Früher hielten wir es ab Mitte November nur mit dicken Mänteln aus“, sagt die Rentnerin.

Ihr Haus am Rande eines Industriebezirks ist jüngst saniert worden. Stolz weist Frau Niu auf die neuen, dicht schließenden Doppelglasfenster und den 20 Grad warmen Heizkörper an der Wand. „Wir haben jetzt sogar einen Thermostat!“, sagt sie.

Entstanden war die Siedlung in den 1980er-Jahren, nach dem großen Erdbeben am 28. Juli 1976, bei dem rund 240.000 Menschen starben. Früher stieg die Temperatur in den Wohnungen auf höchstens 15 Grad, wenn draußen Frost klirrte. Der Wind pfiff durch die Ritzen der nicht isolierten Fenster. Um die harten Monate zu überstehen, kauften sich Nachbarn von Frau Niu stromfressende Heizlüfter oder Klimaanlagen.

So wie Frau Niu ergeht es noch heute vielen Millionen Chinesen. Vernünftige Heizung, Thermostate, gute Fenster, Dämmung – all dies fanden und finden viele Bauherren und Architekten nicht wichtig. Sogar in den neuen Apartmenthäusern sind die Wände dünn, die Fenster zugig und die Rohre brüchig. Doch immer energischer beschweren sich Chinas Umweltschützer und Energieexperten über die Zustände. Langsam erkennt die Regierung, dass schlechte Bauqualität die Bewohner krank macht und das Klima belastet.

30 bis 40 Prozent der in China produzierten Energie wird derzeit verbraucht, um Gebäude zu bauen, zu heizen oder zu kühlen. Da in den in den kommenden zwanzig Jahren voraussichtlich 300 bis 400 Millionen Chinesen vom Land in die Städte ziehen, wird weiter gebaut und noch viel mehr Strom und Heizung Strom verbraucht . Das Land errichtet derzeit massiv neue Kraftwerke, die meisten werden mit Kohle befeuert.

„Energieeffizientes Bauen“ heißt deshalb das neue Schlagwort. Xu Zhiyong von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der die Behörden von Tangshan berät, rechnet vor: „Wenn wir nur ein Drittel aller Wohnungen in Nordchina – rund 2,5 Milliarden Quadratmeter Wohnraum – sanieren und dazu das Fernwärmenetz und die Heizkessel modernisieren, dann können wir 55 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen.“

Das ist ein ferner Traum. Bis Ende 2008 wurden in Nordchina erst 40 Millionen Quadratmeter Wohnfläche saniert, in Tangshan waren es insgesamt 300.000 Quadratmeter. Obwohl die Behörden mittlerweile energiesparendes Bauen vorschreiben, wird vielerorts gepfuscht. Viele Beamte und Kontrolleure lassen sich von den Bauherren bestechen, es fehlen Maurer und Installateure, die sich auf Energieeffizienz verstehen. In Tangshan sprach die Regierung vor einigen Jahren ein Machtwort: Neue Industrien könnten erst dann angesiedelt werden, wenn die von Kohleheizungen und Fabriken extrem verschmutzte Luft sauberer würde.

Deshalb ließen sich die Lokalpolitiker im Jahr 2005 auf das Konzept ein, die Plattenbauwohnviertel zu sanieren. Die Produktion und der Einbau von Dämmplatten, Doppelfenstern, isolierten Rohren, individuell regulierbaren Heizungen und dicken Türen förderte die lokale Wirtschaft und schuf Arbeitsplätze.

Für den GTZ-Experten Xu ist das Tangshan-Projekt ein Beweis dafür, dass der Umbau der Wohnungen gut für die Umwelt und für das soziale Klima ist. „Wenn man die Häuser der ärmeren Bevölkerung saniert, dann fühlen sich die Menschen mehr respektiert“, sagt er.

Frau Niu kann das bestätigen: „Ich bin sehr zufrieden.“

JUTTA LIETSCH