Grünzeug statt Banken

LANDWIRTSCHAFT Die Bundeskanzlerin sollte Staatsgeld für neue Gemüsegärten ausgeben, sagt Vandana Shiva

■ 57, ist Umweltschützerin, Bürgerrechtlerin und Feministin. 1993 erhielt sie den Alternativen Nobelpreis. Ihr jüngstes Buch „Leben ohne Erdöl“ beschreibt den Umstieg von einer erdölabhängigen, globalisierten Wirtschaft zu einem Netzwerk von lokalen Ökonomien.

INTERVIEW W. TOEBELMANN
UND K. GRANZIN

taz: Frau Shiva, Sie wollen zu einer lokal orientierten Lebensweise zurückkehren. Ist es denn möglich, den Prozess der Globalisierung umzukehren?

Vandana Shiva: Im Grunde ist die Globalisierung schon dabei, sich selbst abzuschaffen. Letztes Jahr ist die Finanzblase geplatzt; in der Ernährungsfrage zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab. Der Hunger nimmt immer mehr zu, auf der anderen Seite leiden unzählige Menschen an Fettleibigkeit oder Diabetes. Und das Nahrungsproblem hängt eng mit der Klimakatastrophe zusammen.

So weit die Diagnose. Wie lautet Ihr Therapievorschlag?

Natürlich bin ich nicht so dumm zu sagen, lasst uns alle so leben wie vor 200 Jahren. Um Klimaproblem, Wirtschafts- und Ernährungskrise gleichzeitig zu lösen, müssen wir neue Jobs schaffen. Und wir müssen die Bauern auf ihrem Land halten, damit sie Nahrung produzieren und nicht Profite für Großkonzerne. In diesem Rahmen muss ein Prozess der Lokalisierung möglich sein.

Wie kann das in der Praxis aussehen?

Zusammen mit meiner Stelle als Wissenschaftlerin habe ich es aufgegeben, in der Theorie zu leben. All mein Denken kommt aus der Praxis, der Aktion. In meinem Buch geht es auch um Anbaupraktiken, die wir in unseren Projekten in Indien seit 25 Jahren befolgen. Sie zeigen, dass wir durch Biodiversität und biologischen Anbau mehr Nahrung produzieren und mehr Menschen einen Lebensunterhalt verschaffen als mit konventionellen Methoden. Das löst Klimakrise und Nahrungskrise gleichzeitig. Unsere Biobauern verdienen zehnmal mehr als die Bauern, die die genmanipulierte Baumwolle von Monsanto anbauen.

Monsanto ist ein US-Konzern. Gibt es etwas, was Sie US-Präsident Barack Obama gern sagen würden?

Ich würde ihm sagen, dass er uns Wandel versprochen hat, aber nun, da es um die Klimakatastrophe und die Hungerkrise geht, den Status quo verteidigt. Er hat jede korrupte Person aus der Bush-Administration wieder ernannt. Sein Mann für Landwirtschaft und Handel ist ein Repräsentant der Pestizidindustrie. Das ist kein „Yes we can“, sondern ein „Yes we can’t“.

Seine Gattin Michelle Obama dagegen macht Punkte als Biogärtnerin. Sie selbst sagten einmal, jeder Mensch solle gärtnern. Warum?

Wo immer kleine, familienbetriebene Bauernhöfe betroffen sind, sollten wir etwas für ihren Erhalt tun, sollten wir als Konsumenten ihre Partner werden. Wer ökologisch angebautes Gemüse isst, ist schon dessen Koproduzent. Angela Merkel sollte, statt Geld in die maroden Banken zu stecken, Leuten Geld geben, damit sie sich ein Stück Gemüseland pachten können. Ich versichere Ihnen, es gäbe einen Ansturm von jungen Menschen. Viele junge Deutsche kommen zu uns nach Indien, um etwas über Bioanbau zu lernen.

Die Globalisierung ist dabei, sich selbst abzuschaffen

Auf Ihrer Farm in Dehra Dun?

Ja, wir haben immer fünf bis sechs Praktikanten dort. Die junge Generation hat einen Traum von einer Zukunft als Gärtner.

Glauben Sie denn an diese Zukunft?

Als Quantenphysikerin bin ich es gewöhnt, mit Ungewissheiten zu arbeiten. Aber ich glaube fest daran, dass vieles von dem, was ich tue und denke, Potenzial für die Zukunft hat. Es ist genau wie beim Ausbringen von Saatgut: Manches geht auf, anderes nicht.