Welche Krise?

FOTOGRAFIE Studierende der HfK zeigen in der Ausstellung „Crisis – What Crisis“ am Beispiel Griechenland unterschiedliche Aspekte des Alltags in der Krise - und die sehen nicht nach Ausnahmezustand aus

Die griechische Krise befördert jedenfalls Selbstorganisation und Subsistenzwirtschaft. Soviel lässt sich sagen

Immer ist irgendwo Krieg und immer hungert irgendjemand. Manchmal aber verschlechtert sich selbst die schlechte Lage noch. Oder es kommt zu starken innergesellschaftlichen Spannungen und Kämpfen: Das wird dann oft als die „Krise in der Krise“ wahrgenommen. Im Mai diesen Jahres, als Griechenland die Schlagzeilen dominierte, reiste eine Gruppe StudentInnen der Hochschule für Künste nach Athen. Ihre Fotoarbeiten sind derzeit in der Galerie Mitte zu sehen.

Man hatte in jenen Tagen oft das Gefühl, als ginge es in Griechenland um etwas. Die Verhandlungen der damals noch neu gewählten linken Regierung mit den europäischen Finanzpolitikern und der Zentralbank waren hart und ließen hoffen. Zumindest die Routine der Krisenverwaltung schien durchbrochen. Es sah aus, als wäre ein Ausbruch möglich.

An den Wänden des Ausstellungsraums sind Schlagzeilen aus diesen Wochen angebracht. Allein am 22. Juni gab es all das: „Tsipras kommt Geldgebern weit entgegen“, „EZB hebt Kreditrahmen für griechische Banken erneut an“, „Entscheidung vertagt, Drama geht weiter“.

Die Krise hat aber auch einen Alltag: Den zeigen die Fotografien der Studierenden. Denn was wir auf den Bildern zu sehen bekommen, sieht überhaupt nicht nach Ausnahmezustand aus. Zum Beispiel in den Fotos von David Schikora. „Greek Personalities“ hat er seine Serie genannt, porträtiert hat er Menschen, die er auf der Straße kennengelernt hat.

Eines der Bilder zeigt einen älteren Mann vor seinem Laden. Er steht an einem Tisch und raucht milde Sorte. An seinem Oberkörper trägt er ein schwarzweiß gemustertes Hemd. Hinter ihm sieht man an einer Kleiderstange noch einige solcher Hemden. Eine Szene, wie aus den Zeiten der Planwirtschaft. Der arme Kerl trägt hier seine eigene Ware auf.

Ein anderes Bild zeigt zwei junge Frauen in schwarzen Kleidern. Sie haben je eine Hacke geschultert, wie man sie für die Kartoffelernte verwendet. Wo aber werden mitten in einer Stadt wie Athen Kartoffeln angebaut? Die griechische Krise befördert jedenfalls Selbst­organisation und Subsistenzwirtschaft. Soviel lässt sich sagen.

Stefanie Preuin hat sich einem fast schon klassischen Sujet gewidmet, nämlich verfallener Eventarchitektur. 2004 fanden in Griechenland die Olympischen Sommerspiele statt. Dafür wurden Stadien und Wohnanlagen für die Sportler gebaut. Seitdem stehen sie ungenutzt in der Landschaft umher. Die junge Fotografin zeigt in ihrer Serie „Higher Faster Further“ diese verlassenen Sportstätten. Zwischen Brachboden und grauem ­Himmel sind die Ruinen wie Skulpturen platziert: Rostige Zäune, ein zugewachsenes Schwimmbecken, mit Wäsche behangene Tore und immer wieder im Hintergrund das nutzlos gewordene Stadion.

Dass während der Krise alles zu Ende ist, widerlegt Urs Mader mit seiner Reihe „Still Open“. Er zeigt Menschen in ihren ­kahlen, aber doch offenen Geschäften. Sie verkaufen Fisch, Orangensaft und bieten Näharbeiten an. Eines seiner Bilder zeigt einen bärtigen Mann an einem Schreibtisch. Was er anbietet, wissen wir nicht. Vielleicht ist es ein Ausweg aus der Krise. Er hebt die linke Hand zur Faust. Krise – Welche Krise? Radek Krolczyk

„Crisis - What Crisis“ läuft noch bis zum 24.1. in der Galerie Mitte im Kubo