Einmal durfte ich in der Tonne sitzen – als Rumpels rechte Hand

Samsons Schuhe sind wirklich verdammt groß. Und ich habe sie angehabt. Laufen konnte ich damit nicht – aber was haben mich meine Klassenkameraden um mein Schülerpraktikum in der Produktion der deutschen „Sesamstraße“ in Hamburg beneidet. Es war 1999, ich opferte meine Herbstferien und fuhr nach Hamburg.

Eingeteilt wurde ich bei Vince in der Puppenbetreuung. Vince „wohnte“ in einem kleinen Häuschen der „Sesamstraßen“-Kulisse. Seine wichtigste Aufgabe: dem Samson-Darsteller Klaus Esch beim An- und Ausziehen zu helfen. Samsons Kostüm hing an einem Seilzug und war nur durch den Hintern zu betreten. Es wog knapp 30 Kilo, drinnen war es furchtbar heiß und stickig. Deshalb trug Klaus Esch nur blaue Skiunterwäsche. „Uiuiui“, sagt er ziemlich oft, und er mochte seine Hängematte nicht.

Ich schon. Weil ich während meines Praktikums nicht so viel zu tun hatte, lag ich oft in Samsons Hängematte, las Drehbücher, schaute den Aufnahmen zu. Die wurden stets lautstark angekündigt. Produktionsleiter Lars hatte eine schepprige Trompete. Wenn die ertönte, wurden die Türen geschlossen, das rote On-Air-Licht ging an. Drinnen musste man mucksmäuschenstill sein, und wenn man draußen beim Rauchen war, kam man eben nicht mehr herein.

Es war gemütlich im Studio Hamburg. Bei den Technikern gab es manchmal Pferdewurstfrühstück. Die Maskenbildner bastelten in ihrer Halle spannende Dinge. Für eine Folge mussten wir etliche Pizzen basteln und besprühen, es endete in einer Farbschlacht und einem Anschiss vom Regisseur, weil wir nicht rechtzeitig fertig wurden.

Es wurde viel gelacht: Wenn die Tiffy-Darstellerinnen auf ihrem Skateboard gegen die Kulissen krachten, die Finchen-Darstellerin schlimmste Verrenkungen machen musste oder Rumpel aus seiner Tonne heraus rumpöbelte.

Den größten Spaß hatten wir mit Samsons Ersatzkostüm, das in einem riesigen Paket aus den USA geschickt wurde. Es war nicht richtig eingestellt: Samson schielte und hatte einen Unterbiss. Und Esch war brillant, als er einen torkelnden, lallenden Samson spielte. Weil die Darsteller mit einer Hand die Mimik der Puppen und mit der anderen einen Arm bewegen, haben die meisten Puppen einen „toten“ Arm. Außer Tiffy, die von zwei Frauen gespielt wurde. Als Rumpel für eine Folge mal einen zweiten brauchte, durfte ich ran. Es war ganz schön eng in der Tonne, wir zwängten und bogen uns, aber es klappte. Und so hatte ich meine five seconds of fame in der „Sesamstraße“: als Rumpels rechte Hand.

ANNIKA STENZEL, TAZ HAMBURG