Ohne Samson auf dem Schulweg

Unser Schulweg war nicht lang. Aus dem Haus nach rechts, wieder rechts, immer geradeaus, den Schwarzen Weg hoch, der so hieß, weil er sich, sauber asphaltiert wie ein schwarzes Band, zwischen der Wohnsiedlung, dem neuen Dorf und einem Feld entlangzog. Dahinter das alte Dorf, oben drüber die Burgruine, rundherum Wälder, am Ende des Weges die Schule. Nicht weit, aber morgens in der winterlichen Dunkelheit hatten wir immer ein bisschen Angst. Einer meiner Brüder suchte einen starken, treuen Begleiter für uns alle. Er schrieb an Samson, den wir aus der „Sesamstraße2 kannten. Den großen, braunen, wuscheligen Bären. Wie ein Freund kam er jeden Abend zu uns ins Wohnzimmer. Ob er uns nicht – wenigstens einmal – auf dem Schulweg begleiten könne, fragte mein Bruder, sauber geschrieben mit Grundschülerschrift, adressiert an den NDR, Rothenbaumchaussee 132–134 in Hamburg. Samson würde Matthias, den Angstmacher aus unserer Straße, locker ausstechen. Er würde sich fürchten müssen. Dank Samsons schierer Präsenz.

Die Idee war gut, doch Samson zu beschäftigt. Es kam eine freundliche Absage. Sahen wir sofort ein, zumal Samson abends wieder im Fernsehen auftrat, 18 Uhr im Ersten. Der Samson-Sticker, der dem Brief beigelegt war, klebt noch heute am Schreibtisch meines Bruders, den einer seiner Söhne benutzt. „Sesamstraße“ guckt keiner mehr von uns. Aber Samson? Immer noch ein guter Typ.

FELIX ZIMMERMANN, SONNTAZ