Jugendlich zum Vierzigsten

LITERATUR Auf der 40. Literarischen Woche stellen gleich drei jüngere AutorInnen ihre Coming-of-Age-Romane in einer gemeinsamen Lesung in der Stadtwaage vor

Nimmt den Generationskonflikt mit Humor: Schriftstellerin Antonia Baum   Foto: Mathias Bothor/photoselection

von Jens Laloire

„Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, wo ich lernte, mich von Radkappen und Stoßstangen zu ernähren“ lautet der skurril ausschweifende Titel des zweiten Romans von Schriftstellerin und Journalistin Antonia Baum. Um die Probleme, die das Erwachsenwerden mit sich bringt, geht es allerdings nicht nur in diesem Roman, sondern in der gesamten Literarischen Woche, die vom 18. bis zum 26. Januar in Bremen stattfindet.

„Generation im Aufbruch. Von der Schwierigkeit des Erwachsenwerdens“ lautet das Motto dieser 40. Ausgabe des traditionsreichen Literaturfestivals. Neben klassischen Lesungen finden auch Filme, Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen Platz im Programm.

Baum erzählt die Geschichte der drei Geschwister Clint, Johnny und Romy, deren Vater Theodor eine exotische Gestalt sondergleichen ist. Nicht nur ist er zugleich Arzt, Autohändler und Künstler, sondern er hat auch kuriose Erziehungsvorstellungen: Da kann es vorkommen, dass der alleinerziehende Witwer seine drei Zöglinge spontan für zwei Wochen von der Schule befreit, um mit ihnen nach Berlin zu fahren, um ein Wettbüro zu gründen.

Mit einem egozentrischen Vater, der selbst nie wirklich erwachsen geworden zu sein scheint, läuft auch der eigene Reifeprozess nicht ohne schwerwiegende Komplikationen ab. Die 31-jährige Literatur­wissenschaftlerin Baum widmet sich den generationstypischen Konflikten allerdings trotz der Schwere auf humorvolle Weise.

Die Kämpfe, die man als Heranwachsender mit seinen Eltern, seinem Umfeld und sich selbst auszutragen hat, werden im Zentrum der knapp ein Dutzend Lesungen stehen, bei denen unter anderem der Buchpreisträger Frank Witzel, die in der DDR aufgewachsene Angelika Klüssendorf und weitere deutsche, spanische und französische AutorInnen ihre Bücher vorstellen.

Humorvoll ist auch das Debüt von Janko Marklein, der gemeinsam mit Baum in der Bremer Stadtwaage lesen wird. In „Florian Berg ist sterblich“ erzählt der 27-jährige Open-Mike-Gewinner von 2010 gekonnt lakonisch und mit einer deftigen Portion Ironie die Geschichte des titelgebenden Antihelden. Der Pastorensohn wächst in der niedersächsischen Provinz auf, wo er sich halbherzig politisch engagiert, bis er zum Philosophie-Studium nach Leipzig zieht – und schließlich zu einer Reise nach Südamerika aufbricht. Bei alldem entwickelt Marklein seinen Florian Berg als narzisstischen und unempathischen Charakter, der sich für nichts so recht zu begeistern weiß, seinen Gefühlen und den Anforderungen der Welt hilflos gegenübersteht – vom Erwachsenwerden komplett überfordert.

Die Kämpfe, die Heranwachsende mit Eltern, Umfeld und sich selbst austragen, stehen im Zentrum

Für einen Ausschnitt aus seinem Roman erhielt der 1988 in Bremen geborene und in Niedersachsen aufgewachsene Marklein vor vier Jahren das Bremer Autorenstipendium, eine Auszeichnung, die ihn mit dem fünf Jahre älteren Fabian Hischmann verbindet. Beide haben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig Kreatives ­Schreiben studiert. Hischmann erhielt das Autorenstipendium 2011 für sein Debüt „Am Ende schmeißen wir mit Gold“, mit dem er 2014 sogleich für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war.

Die Story von Hischmanns Roman ist rasch zusammengefasst: Max ist seit Kurzem Lehrer in Bremen, ansonsten jedoch eher lethargisch. Wenn er nicht unterrichten muss, hängt er vor der Glotze und schaut Tierdokus. In den Sommerferien kehrt er jedoch zurück in sein süddeutsches Heimatkaff, um Haus und Hund seiner Eltern zu hüten. Dort trifft er auf seine verlorene Liebe Maria, die mit Freunden auf einem Bauernhof lebt, was bei Max Neid und Sehnsucht aufsteigen lässt. Als seine Eltern im Sommerurlaub verunglücken, weitet sich die mickrige Sinnkrise des Ich-Erzählers zur Existenzkrise aus. Er begibt sich – ähnlich wie Florian Berg – auf eine Reise, um zu sich zu finden.

Bei Hischmann geht es deutlich emotionaler zu als bei Marklein und weitaus realistischer als bei Baum. „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ ist der tiefschürfendste der drei Gegenwartsromane, die zusammen einen vielversprechenden Abend über die Sehnsüchte und Schwierigkeiten Heranwachsender erwarten lassen. Gespannt sein darf man nicht nur auf die drei Lesenden und ihre Werke, sondern auch auf das Publikum – und darauf, ob das Thema des Abends neben dem klassischen Lesepublikum gehobenen Alters tatsächlich auch jüngere Gäste anlockt.

Baum, Marklein & Hischmann lesen am 26. 1. ab 19 Uhr in der Stadtwaage, Langenstraße 13

Die Literarische Woche Bremen läuft vom 18. bis 26. Januar

Das vollständige Programm:www.literarische-woche.de