Das Rätsel um die dritte Generation

RAF-GESCHICHTE Wer in den 1990ern zur Terrorgruppe gehörte und in deren Namen mordete, ist bis heute weitgehend ungeklärt

BERLIN taz | Die Rote Armee Fraktion (RAF) hat sich vor knapp zwei Jahrzehnten offiziell aufgelöst. In einer schriftlichen Erklärung teilten die bis heute weitgehend unbekannten Mitglieder der sogenannten 3. Generation Ende März 1998 mit: „Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte.“

28 Jahre war die Terrorgruppe aktiv, es gab mehr als 60 Tote. Höhepunkt war der Deutsche Herbst 1977 mit der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, der Entführung einer Lufthansa-Maschine und dem Selbstmord von drei RAF-Gründungsmitgliedern in der JVA Stammheim. Dazu hieß es im Auflösungsschreiben: „Die RAF hatte alles in die Waagschale geworfen und eine große Niederlage erlitten.“ Es endet pathetisch: „Die Revolution sagt: ich war, ich bin, ich werde sein.“

Was von der RAF bleibt, sind vage Vermutungen über den Verbleib ihrer letzten Mitglieder. Und eine Reihe nicht aufgeklärter Morde, die zwischen 1985 und 1991 verübt wurden. Der Vorstandsvorsitzende der Motoren- und Turbinen-Union (MTU), Ernst Zimmermann, wurde am 1. Februar 1985 in seiner Wohnung bei München von einem RAF-Kommando erschossen. Am 9. Juli 1986 bekannte sich die RAF zum Mord an Siemens-Vorstandsmitglied Karl Heinz Beckurts und dessen Fahrer Ernst Gropler. Unbekannt ist auch, wer am 10. September 1986 den Ministerialdirektor Gerold von Braunmühl im Namen der RAF getötet hat.

Nennenswerte Spuren fehlen den Fahndern ebenso im Fall des Deutsche-Bank-Chefs Alfred Herrhausen, der nach einem 100-tägigen erfolglosen Hungerstreik der RAF-Gefangenen am 30. November 1989 mit einer elektronischen Sprengstofffalle getötet wird. Das letzte Attentat galt dem Chef der Treuhandanstalt: Detlev Karsten Rohwedder wurde am 1. April 1991 in seinem Düsseldorfer Haus erschossen. Auch dieser Mord bleibt unaufgeklärt – obwohl die Ermittler zu wissen glauben, dass der 1993 bei einer Schießerei mit der Polizei getötete Wolfgang Grams an diesem Anschlag beteiligt war.

Ob die drei 1990 untergetauchten früheren RAF-Unterstützer Ernst-Volker Staub, Burkhard Garweg und Daniela Klette tatsächlich der sogenannten Kommandoebene der RAF zuzurechnen sind, ist Spekulation.

Jahrelang wurde beispielsweise nach dem vermeintlichen Topkader der Guerilla, Christoph Seidler, Barbara Meyer und Andrea Klump, gefahndet. Am 15. Mai 2002 wurde die damals 43-jährige Klump zwar zu neun Jahren Haft verurteilt. Sie hatte gestanden, 1988 an einem versuchten Sprengstoffanschlag auf einen Nato-Stützpunkt in Rota (Spanien) beteiligt gewesen zu sein. Die Anklage wegen Mitgliedschaft in der RAF wurde aber fallen gelassen. Wie Seidler und Meyer war Klump nicht zur RAF in den Untergrund gegangen. Alle drei tauchten bei Palästinensern im Libanon unter.

Auch der Verdacht, Seidler sei an der Ermordung Herrhausens beteiligt gewesen, war falsch. Der Verfassungsausschuss bestätigte 1996, dass Seidler sich zur Tatzeit im Libanon aufgehalten hatte. Wolfgang Gast