In beide Richtungen flexibel

Fernsehduelle Welche SpitzenkandidatInnen eingeladen werden, entscheiden die Sender – und manchmal die Regierungen

BERLIN taz | „Ich trete als David gegen die beiden Goliaths an, weil ich mich nicht aussperren lasse – weder von den größeren Parteien noch von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.“ Diese Worte stammen nicht etwa von einem AfD-Funktionär aus Baden-Württemberg, sondern von Guido Westerwelle. 2002 wollte er als Kanzlerkandidat der FDP gegen Gerhard Schröder (SPD) und Edmund Stoiber (Union) in ARD und ZDF zum Kanzlerduell antreten. Nur er durfte nicht. Die Klage der FDP gegen ihren Ausschluss wies das Bundesverfassungsgericht zurück. Begründung: Es handele sich um „redaktionell gestaltete Sendungen“, zu denen die Sender einladen können, wen sie wollen.

Die Begründungen, nach denen SpitzenkandidatInnen vor Bundes- oder Landtagswahlen zum Fernsehduell geladen werden – oder nicht –, scheinen willkürlich. Sowohl für Ausschlüsse als auch Hinzunahmen. Bei Landtagswahlen treten üblicherweise alle Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien an. Oft sind die Debatten jedoch im Sinne der amtierenden Regierung gestaltet.

Auf Wunsch des sächsischen CDU-Ministerpräsident Stani­slaw Tillich schaltete der MDR bei der dortigen Landtagswahl 2014 die sechs KandidatInnen ins Studio zu, anstatt sie in einem Raum diskutieren zu lassen. Vorgeblich, um den NPD-Spitzenkandidaten Holger Szymanski nicht aufzuwerten. Schöner Nebeneffekt: Die Debatte war keine. Ministerpräsident Tillich kam gut weg.

In Mecklenburg-Vorpommern traten 2011 nur Erwin Sellering (SPD) und Lorenz Caffier (CDU) zu einem Fernsehduell im NDR an. Die Opposition – darunter auch Linke und die NPD – war nicht geladen. Und der rbb sendete vor der Wahl in Brandenburg ein „Triell“ zwischen den Kandidaten von SPD, Linkspartei und CDU. Grüne und FDP blieben außen vor. In Bayern (2013) und Schleswig-Holstein (2012) gab es je zwei Fernsehduelle: Erst zwischen den beiden „großen“ Parteien, danach zwischen den „kleinen“.

Umgekehrt durfte die Piratenpartei 2012 an der Landtagswahldebatte in Nordrhein-Westfalen teilnehmen, obwohl sie noch gar nicht im Landtag vertreten waren. „Gute Aussichten“ auf einen Wahlerfolg reichten aus, um teilnehmen zu dürfen.

Dass die Umfragen dafür nicht immer ein schlüssiges Kriterium sind, zeigt die Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg. Im Fernsehen durften nur Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und Herausforderer Nils Schmid (SPD) antreten. Gewonnen hat die Wahl: der Grüne Winfried Kretschmann.

Ralf Pauli