Proteste und Unruhen nach Wahlabsage

HAITI Tausende Menschen fordern den Rücktritt des umstrittenen Präsidenten Michel Martelly

SãO PAULO epd | Nach der erneuten Absage der Stichwahl um das Präsidentenamt ist es in Hai­ti am Wochenende zu Massendemonstrationen mit schweren Ausschreitungen gekommen. Tausende Menschen gingen in der Hauptstadt Port-au-Prince auf die Straße und verlangten den Rücktritt von Präsident Michel Martelly, wie Radio Metropole am Samstag berichtete. Ein Mann wurde offenbar von der aufgebrachten Menge totgeprügelt. Demonstranten errichteten Straßensperrungen, es kam zu Plünderungen. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Martelly versprach in einer Rede an die Nation, binnen 48 Stunden eine Übergangsregierung und bis Ende nächster Woche eine neue Wahlkommission einzusetzen. „Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Wahlprozess fair und glaubwürdig zu Ende zu bringen“, sagte Martelly, dessen Amtszeit regulär am 7. Februar endet.

Die Wahlbehörde hatte kurzfristig die für Sonntag geplante Stichwahl um das Präsidentenamt abgesagt und dies mit Sicherheitsbedenken begründet. Die Opposition wirft den Behörden Betrug und Wahlfälschungen in großem Umfang zugunsten des Regierungskandidaten Jovenel Moïse vor. Oppositionskandidat Jude Célestin hatte aus Protest bekannt gegeben, nicht mehr antreten zu wollen.

Die EU äußerte sich besorgt über die Lage auf der Karibikinsel. Jetzt sei entscheidend, die Gewalt zu stoppen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. Es müssten sich alle Akteure engagieren, um den Wahlprozess erfolgreich zu Ende zu bringen. Auch die Organisation Amerikanischer Staaten mahnte zur Besonnenheit. Der Wahlprozess zieht sich seit über einem Jahr hin. Nachdem die Parlamentswahlen mehrfach verschoben wurden, hatte Martelly ab Januar 2015 per Dekret den Karibikstaat regiert.

Haiti ist das ärmste Land Lateinamerikas. Noch immer leidet es unter den Folgen eines verheerenden Erdbebens vor sechs Jahren, bei dem rund 300.000 Menschen starben und mehr als eine Million obdachlos wurden. Viele Millionen an Hilfsgeldern sind seitdem in dunklen Kanälen verschwunden. Auch der Regierung unter Martelly wird Korruption vorgeworfen.