Als Kind schon hörte er Radio Moskau

STEUERFLUCHT Depardieu entdeckt seine alte Liebe zu Russland. Er verehrt aber nicht nur Putin, der ihm einen Pass schenkte. Sein Herz schlägt vielmehr für alle starken Männer des Ostens – vor allem, wenn sie genug Geld haben

Niemand soll aber den russophilen Depardieu des Opportunismus bezichtigen

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Mit einem „Spacibo!“ („Danke!“) und dem euphorischen „Slava Rossii“ („Ruhm dir, Russland“) schließt Gérard Depardieu einen Brief, den er laut dem russischen Fernsehsender Perviji Kanal zum Dank für den von Putin ausgestellten Pass geschrieben hat. Er bestätigt darin, dass er tatsächlich einen Antrag gestellt hat und sich sehr über die schnelle positive Antwort freue.

Seine Freude ist sogar enorm und unverhältnismäßig, wie fast alles bei Depardieu, der sich in einer wahren Lobhudelei über seine Freunde in Moskau ergeht. Er schreibt nicht nur, dass er Russland bewundere, das Land, seine Menschen, seine Geschichte, seine Schriftsteller. Überschwänglich bezeichnet er Russland als „große Demokratie“.

Besonders in Herz geschlossen hat er – nicht erst seit dem geschenkten Pass als Freundschaftsbeweis – den Präsidenten Wladimir Putin, mit dem ihn eine Liebe verbinde, die „gegenseitig“ sei. Er schwärmt von Landschaften am Rande von Birkenwäldern und meint generell: „In Russland lebt es sich gut.“

Jedenfalls besser als in Frankreich, wo sich ein Premierminister erfreche, einen Mitbürger (wie ihn wegen seiner Steuerflucht) als „erbärmlich“ öffentlich herabzuwürdigen. Niemand soll aber den russophilen Depardieu des Opportunismus bezichtigen. Die Bande sind angeblich alt und reichen bis in die Kindheit zurück, als sein Vater in Frankreich als strammer Kommunist mit der Familie Radio Moskau gehört habe. Depardieu kündigte an, er wolle auf seine französische Staatsbürgerschaft verzichten. Ob er nach Russland ziehen will, ist unklar. Schon lange kennt man allerdings Depardieus Begeisterung für den Kaukasus und die starken Männer in der ehemaligen Sowjetunion, von denen er sich nicht nur aus purer Freundschaft, sondern auch gegen hohe Gagen als publikumswirksamer Werbeträger und als Alibi einsetzen lässt. So lobte er im vergangenen Oktober den tschetschenischen Autokraten Ramsam Kadyrow öffentlich in höchsten Tönen bei dessen Party zu seinem 36. Geburtstag. Noch peinlicher war seine Nummer an der Seite von Gulnara Karimowa, der singenden Tochter des usbekischen Präsidenten. Gegen entsprechende Bezahlung macht er laut Le Figaro Werbespots für die Banken der Oligarchen Kasachstans und andere Unternehmen im Kaukasus oder nimmt als Aushängeschild (angeblich für 100.000 Dollar für zwei Tage) an Kinofestivals teil.

Depardieu hatte Präsidenten François Hollande am 1. Januar gesagt, in Frankreich gebe es nur Neid, wenn einer wie er Erfolg habe. Kompliziert dürfte es nun für seinen Antrag auf die belgische Staatsbürgerschaft werden. Laut dem Vorsitzenden der belgischen Einbürgerungskommission hat er bisher kein Gesuch eingereicht. Präventiv warnt der Abgeordnete Georges Dallemagne, Staatsbürgerschaften seien „keine Sammelobjekte“.

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