Wieder leuchtet die Welt

Weg mit dem Partygeschnatter des Elektropop und rein in die Gitarrenschule: Auf „Ruhig Blut“ haben sich Paula rund um Sängerin Elke Brauweiler neu sortiert

Keine Ahnung, wie es passierte. Plötzlich jedenfalls stand im Sommer 2001 fest, dass ihre Musik der Sound der jungen Mitte war. Zum Elektropop von Paula wurde Latte Macchiato gezapft, wurden Prada-Stöckel für das Nachtleben anprobiert, wurden später auch Kinderwagen durch den Volkspark am Weinberg geschoben. Natürlich „von guten Eltern“, so hieß ja einer der toll im Sequenzerbeat polternden Paula-Songs, und „Jimmy“ ein anderer. Wer wollte, konnte sich zwei Jahre später mit ihrem Hit „Die Stadt“ wiederum ganz entspannt von den Mitte-Versprechen distanzieren: „Die viel zu große Stadt / Die nur für mich nichts hat“. Klang in solchen Textzeilen nicht schon der Abschied an, vom Boom aus Berlin?

Paula waren kurz vor dem Durchbruch in die Charts, haben den doch eher lästigen Deutsch-Pop-Hype mit angeschoben. Paula waren aber auch kurz vor dem Ende, als der Songschreiber und Multiinstrumentalist Berend das Duo im vorigen Jahr verlassen wollte und Elke Brauweiler mit ihrer frühlingshaft zwitschernden Stimme beinahe allein zurückgeblieben wäre. Aus dem Pop-Split wurde nur eine etwas längere Pause, in der das Bandgeschehen neu sortiert, die Elektronik gegen die gute alte Gitarrenschule ausgetauscht werden musste.

Als Ergebnis dieses Komplett-Umbaus schlägt die neue CD „Ruhig Blut“ unentwegt Funken des Glücks. Nicht mehr nah am Schlager, sondern rau wie Rock. In voller Montur legt sich ein halbes Dutzend Musiker schwer ins Zeug, tobt sich auf der ersten Single „Es kommt immer alles anders“ mit stompenden Riffs und fuzzy Feedbacks aus. Die Texte sind fordernd, dauernd werden Beziehungen in die Brüche gesetzt, mit offensiver Schnodderigkeit wie etwa auf „Liebe verbindet“, wenn Elke Brauweiler singt: „Es ist sehr sehr einfach / wenn’s mir hier nicht mehr gefällt / dann geh ich woanders hin“. Das gilt dann für Stadt, Land, Fluss, Mann oder Frau gleichermaßen.

Auch sonst ist aus dem vormals leicht zum Partygeschnatter neigenden Paula-Pop ziemlich souveränes Songwriting geworden. Offenbar besitzt Berend, der nicht mehr zur Band gehört, aber trotzdem über die Hälfte der Lieder beigesteuert hat, ein Faible für die kompakten Klänge amerikanischen Indietums. Immer schiebt sich eine Melodie heran, die man sich gut auf einer Platte der Pixies, von Sebadoh oder Pavement hätte vorstellen können. Das ist in Zeiten, in denen nationales Liedgut à la Silbermond und Juli gleich auf drei Musikfernsehsendern formatiert wird, eine große Erleichterung.

Dass der frühere Seemannsliedercharme dennoch nicht dahin ist, liegt an Elke Brauweiler. Noch immer kann sie poesiealbumreif eine Zeile wie „Wenn du leuchtest strahlt die Welt“ schmachten, während der dazugehörige Bandbus auf einem irren Mod-Beat Richtung Sixties abbiegt. Und wenn sie zum Refrain von „Nimm mich mit wenn du gehst“ anhebt, hat man für einen Moment das Gefühl, das Blondie durchs Zimmer schwebt. Oder irgendein anderer Engel. HARALD FRICKE

Paula: „Ruhig Blut“ (Königskinder/ SPV)