Demütigung mit System

Medien und Ministerpräsidenten feierten das Vier-Sterne-Hotel für seine Verdienste gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Jetzt beschweren sich hier Lehrlinge über Mobbing und sexuelle Belästigung

„Dort herrscht das Prinzip: Erst kaputt machen und dann darauf aufbauen“

von Eiken Bruhn

Als Heinrich Oberhuber im vergangenen Jahr doppelt so viele Lehrlinge wie 2003 einstellte, würdigten sogar die ARD-Tagesthemen den Chef des Vier-Sterne-Hotels Kaiserworth in einem Beitrag. Zwei Jahre zuvor war der Hotelier vom damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) für seine Verdienste in der Ausbildung ausgezeichnet worden. Allerdings hatte offenbar niemand die Azubis gefragt, wie sie über die Qualität ihrer Ausbildung dachten. Und das, obwohl das Kaiserworth seit Jahren als „schwarzes Schaf“ bekannt ist. Das jedenfalls sagt Rudolf Lauenrodt von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Braunschweig. „Die stellen doppelt so viele ein und dann schmeißen sie die Hälfte wieder raus“, sagt Lauenrodt.

Auch bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) klagen immer wieder Azubis über lange Arbeitszeiten und unfaire Behandlung, erzählt der Braunschweiger Gewerkschafter Andreas Schlenz. Aber erst in diesem Jahr, als sich mehrere Azubis gemeinsam an die NGG wandten, habe man erkannt, dass die Lehrlinge im Nobelhotel „systematisch gedemütigt“ würden. „Denen wird dort gezeigt: ‚Du bist hier nichts‘“, sagt Schlenz. Beleidigungen, unbezahlte Überstunden, Verhinderung der Teilnahme am Berufsschulunterricht – die Liste der Vorwürfe ist lang. 100 eidesstattliche Versicherungen von mehr als zehn Betroffenen habe man, so Schlenz. Ob sie wegen Mobbing oder sexueller Belästigung klagten, müsse jeder und jede einzeln entscheiden. Schwierig, wenn man den Arbeitsplatz nicht verlieren will. Auch will sich niemand der Betroffenen öffentlich äußern, zu groß ist die Angst vor weiteren Schikanen.

Jan Tacke kann frei reden. Er hat im Juni nach zwei Jahren seine Ausbildung als Koch im Kaiserworth abgebrochen. „Dort herrscht das Prinzip: ‚Erst kaputt machen und dann darauf aufbauen‘.“ Von anfangs sieben Leuten in der Küche sei nur noch einer da: „Das spricht doch für sich.“ Der Unterschied zu seinem neuen Arbeitgeber – einem Vier-Sterne-Hotel in Bad Harzburg: „Ich werde hier menschlich behandelt.“ Außerdem bekomme er Überstunden angeschrieben und müsse nicht immer dasselbe machen. „Im Kaiserworth wurde ich am Ende in den Service gesteckt und durfte dort spülen.“ Eine Ausbildung sei das nicht gewesen, sagt der 21-Jährige.

Der Kaiserworth-Besitzer Heinrich Oberhuber weist die Vorwürfe zurück. Richtig sei, dass die Azubis seine Privatwohnung im Hotel hätten reinigen müssen. „Daran ist doch nichts Verwerfliches.“ Das Schreiben der NGG, in der die Zustände im Hotel öffentlich gemacht werden, bezeichnet er als „harten Brocken“, gegen den er sich gerichtliche Schritte vorbehalte. Dabei hatten ihn die Gewerkschafter schon im August zur Besserung aufgefordert. Offenbar erfolglos.

Für Oberhuber stellt sich die Sache ganz anders dar. Er sieht sich als Wohltäter, der „den jungen Leuten eine Menge bietet“, wie er sagt. So dürften Lehrlinge, die positiv aufgefallen seien, sein Cabrio benutzen oder bekämen eine Woche Sonderurlaub in seiner Ferienwohnung auf Teneriffa. „Den muss man sich aber verdienen, wir haben den Kommunismus nicht erfunden.“ Ihm gehe es darum, die jungen Leute auf „das feindliche Leben draußen vorzubereiten“. Dabei helfe es, Benimm und Pünktlichkeit zu lernen, egal, in welchem Beruf sie später arbeiteten. Oberhuber: „Das Fachliche ist zweitrangig.“

„Falsch“, sagt IHK-Ausbildungsberater Lauenroth. „Die Fachausbildung muss im Vordergrund stehen.“ Das Kaiserworth sei aber kein Einzelfall, gerade in der Gastronomie gebe es besonders viele, die junge Leute weniger ausbilden als ausbeuten würden. „Aber als Kammer sind wir in einer schwierigen Lage: Wenn wir denen die Ausbildung untersagen, stehen wir in der Kritik, weil wir Ausbildungsplätze verhindern.“ Eine Lösung für das Problem sieht er nicht – jedenfalls nicht, solange Ausbildungsplätze Mangelware sind.