Kundenfang auf dem Pausenhof

Verbraucherschützer, Lehrer und Eltern kritisieren den Sponsering-Boom: Schulen sollen werbefrei sein

„Wenn eine Fast Food-Kette zur Ernährung aufklärt, leidet die Kritikfähigkeit“

VON GESA SCHOELGENS

Ob neue Computer, Spielgeräte oder Sportplätze: Schulen in Nordrhein-Westfalen lassen sich von Sponsoren unter die Arme greifen. Eine aktuelle Studie der Bundesverbraucherzentrale ergab, dass Sponsoring mit Imagewerbung inzwischen Alltag an deutschen Schulen ist. Der Übergang zur reinen Produktwerbung sei in vielen Fällen fließend.

Dabei ist Werbung an nordrhein-westfälischen Schulen bislang noch verboten. Das sei auch gut so, meint der Philologenverband NRW: „Die Schule ist schon kein wertfreier Raum, dann soll sie zumindest werbefrei sein“, sagt Andreas Merkendorf, Sprecher des Philologenverbandes NRW. Zumindest im Unterricht sollte noch eine kritische Auseinandersetzung mit Produkten und Unternehmen möglich sein.

Auch Sponsoring lehnt der Philologenverband ab. Problematisch sei, dass nur Schulen an attraktiven und solventen Standorten von der Unterstützung profitieren. „Dabei sollten alle gleich behandelt werden. Die Finanzierung von Schulen muss deswegen staatliche Aufgabe bleiben“, so Merkendorf. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass sich der Staat völlig aus der Verantwortung zurückzieht.

„Die Grundversorgung und Ausstattung der Schulen muss Sache des Staates sein“, sagt auch Gabriela Custodis, Vorsitzende der Landeselternschaft für Gymnasien. Im Grunde sei gegen Sponsoring nichts einzuwenden, „allerdings dürfen die Sponsoren keinen Einfluss auf Inhalte und Unterricht haben“. So könne ein Unternehmen, das den Schulhof saniert hat, ruhig ein kleines Firmenschild am Schultor anbringen. Auch eine Unterstützung durch Fördervereine oder Stiftungen sei legitim.

Das sieht die Landeselternpflegschaft für Realschulen ähnlich: „Maßvolle Unterstützung in Form von Abi-T-Shirts oder Anzeigen für Schülerzeitungen ist ja noch o.k.“, so Geschäftsführerin Claudia Jacobi-Gehrmann. Viele SchülerInnen würden aber bereits durch das Fernsehen mit einer Flut von Werbung konfrontiert. Zudem dürften durch Sponsoring keine Abhängigkeiten von den Unternehmen entstehen.

„Es darf nicht sein, dass die Schulen auf das Sponsoring angewiesen sind“, sagt Hermann Meuser, Sprecher der landeseigenen Stiftung „Partner für Schulen“. Die Stiftung kooperiert mit Sponsoren und dem Landesschulministerium und sorgt dafür, dass alle Schulformen und -standorte gleichermaßen profitieren. Meuser sieht im Sponsoring viele Vorteile: Durch Kooperationen und gemeinsame Projekte öffneten sich die Schulen nach außen, knüpften Kontakte zu Unternehmen und erhielten Einblicke in das reale Arbeitsleben. „Zudem übernehmen die Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft“, sagt Oliver Mohr vom NRW-Schulministeriums. Auch eine Produktwerbung an Schulen schließe die Landesregierung inzwischen nicht mehr aus. „Man redet darüber“, so Mohr. Um Grundausstattungen solle sich aber nach wie vor der Staat kümmern.

Fremdfinanzierte Schulfeste oder die Nennung von Firmennamen in Dankesreden seien bereits heute normal, sagt Stiftungssprecher Meuser. Bei den gesponserten Projekten solle aber das pädagogische Konzept im Vordergrund stehen – wie beim Gelsenwasser-Schulprojekt. Der Wasserkonzern unterstützt hier 400 Schulen mit einer Million jährlich. Zudem gebe es die Idee, dass Sponsorengelder über den Träger gleichmäßig an alle Schulen verteilt werden. „Allerdings würden so besonders engagierte Schulen nur gering von ihrem Einsatz profitieren“, sagt Meuser.

Bundesweit einheitliche und strikte Regeln für ein Sponsoring-Engagement forderte hingegen die Bundesverbraucherzentrale. Das Engagement der Privaten müsse zudem streng von reinen Werbeaktivitäten getrennt werden. Darüber hinaus will die Verbraucherzentrale auch ein Werbeverbot im Umfeld von Schulen durchsetzen. Für die Unternehmen seien die SchülerInnen als Zielgruppe besonders attraktiv. „Die meisten Betriebe betreiben durch Sponsoring Imagepflege“, sagt Heiko Wichelhaus von der Verbraucherzentrale NRW. Bedenklich findet er, dass viele Unternehmen kostenlose Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellen. „Wenn eine Fast Food-Kette in Ernährungsfragen aufklärt oder ein Chemiefabrikant zu Umweltthemen informiert, leidet auf Dauer die Kritikfähigkeit“, so Wichelhaus. In der Unterrichtsgestaltung hätten Unternehmen nichts zu suchen.

In Nordrhein-Westfalen gebe es einen Trend zur Liberalisierung der Schulen, so der Philologenverband. „So etwas sehen wir kritisch“, sagt Sprecher Merkendorf. Mehr Freiheiten für Schulen seien prinzipiell in Ordnung, „allerdings nur im staatlichen Korsett“. Viele Unternehmen verfolgten eigene Interessen, ohne dass es eine demokratische Legitimation dafür gebe. „Abwählen kann man den Vertragspartner nämlich nicht“, sagt Merkendorf.