Pferdeschere und verschwundene Schweine

FAKTEN 234 Tabellen können nicht irren? Wenn Jürgen Wayand sein Statistisches Jahrbuch vorlegt, schlägt für Bremen die Stunde der Wahrheit: Weniger Milchleistung, mehr Menschen, Autos und „Ausländer“

Als Augenschmeichler dienen farbige Balkendiagramme

„Man soll genau hinsehen, wenn es um Statistiken geht“, sagt Jürgen Wayand. Der Mann muss es wissen: Gerade hat er als Chef des Statistischen Landesamtes das Jahrbuch 2012 herausgegeben. Nach der Durchsicht von 234 Tabellen und 78 Diagrammen erkennt man beispielsweise: In Bremen gibt es immer mehr Pferde. In Bremerhaven hingegen immer weniger.

Doch die Pferdeschere ist nicht das einzige Phänomen im Bremer Viehbestand. Bemerkenswert ist auch, dass die Bremer Kühe ihren Leistungs-Zenit offenbar überschritten haben. Während ihre tägliche Milchleistung von 2001 bis 2010 um sagenhafte 25 Prozent zunahm, ist sie seit 2011 wieder am Sinken. Aus Sicht des Tierschutzes ist das eine positive Entwicklung.

Gelegentlich lockern Wayand und seine KollegInnen die Zahlenkolonnen durch farbige Balkendiagramme auf. Das dient nicht nur als optische Oase für erschöpfte Augen, sondern auch dem Blick aufs Große und Ganze: Steil sticht im Vieh-Diagramm der Schweinebalken hervor, die Rinder und Milchkühe weit hinter sich lassend. 1961 gab es in Bremen 18.000 Stück Borstenvieh. Selbst 2010 ist der Schweinebalken noch nicht gänzlich auf Null geschrumpft – anders als in der direkt darüber abgedruckten Tabelle, die fürs gleiche Jahr noch kein einziges Schwein kennt und nennt. Tabelle gegen Diagramm: Ein statistisches Duell, das den Laien ratlos macht.

Auch die sieben Bremerhavener Schafe bleiben zwischen 2001 und 2003 auf der Strecke. Starben sie eines natürlichen oder eines statistischen Todes?

In Sachen Lebensende ist das Landesamt ansonsten außerordentlich akribisch. Es differenziert 39 Sterbearten. Kreislauferkrankungen erweisen sich mit 38,9 Prozent als am gefährlichsten. Stürze schlagen nur mit 0,6 Prozent zu Buche.

In der Statistik heißen solche Vorgänge „Natürliche Bevölkerungsbewegung“ – die von der „räumlichen“ zu unterscheiden ist. 2011 hatte Bremen ein positives Wanderungssaldo, das es seinen „Ausländern“ verdankt – wobei das Landesamt diesen Begriff nicht definiert. Jedenfalls stellen sie ein Drittel der Neubürger. Bremen gewinnt sie aus den norddeutschen Flächenländern inklusive Niedersachsen, während es im Saldo mit den anderen Stadtstaaten sowie Süddeutschland verliert.

Nicht alles wissen die Statistiker gleichzeitig, Autos beispielsweise lassen sich offenbar schneller zählen als Unfälle. Immerhin wird deutlich: Die 15 Verkehrstoten des Jahres 2011 sind Radler und Fußgänger, kein einziger Autofahrer ist dabei. Denen stehen 11.762 mehr Fahrzeuge als noch 2009 zu Verfügung.

Die Einnahmen der BSAG stiegen in den vergangenen fünf Jahren von 69 auf 83 Millionen Euro, bei einer leicht rückläufigen Anzahl von „Wagenkilometern“. Auch so kann man die kontinuierlichen Preiserhöhungen der BSAG in Zahlen fassen – die leider nicht explizit erfasst und dargestellt sind.  HENNING BLEYL