Der Wald in der Stadt

science center Die Fassade ganz aus Holz, von der Decke hängen Äste und im Ausstellungsbereich grunzen die Wildschweine: Das Wälderhaus in Wilhelmsburg soll den Menschen den Wald nahebringen

Jugendliche können sich im Wälderhaus stundenlang selbst beschäftigen  Foto: Johannes Arlt

von Darijana Hahn

Von außen sieht das Wälderhaus mit seiner unregelmäßigen, bepflanzten Holzfassade wie ein knorriger Baumstamm aus. Von innen wirkt es mit seinen Betonwänden und den vielen Alurohren an der Decke stellenweise kühl, manchmal auch eigenwillig, wenn da und dort Äste von der Decke baumeln. „Wir hätten das gesamte Gebäude gerne massiv aus Holz gebaut“, sagt der Projektleiter des Wälderhauses, Jan Muntendorf, „aber das wäre nur im Hotelbereich, in den drei oberen Geschossen, möglich gewesen.“ Unten wären sie verpflichtet worden, Stahlbeton als Baustoff zu nutzen. Doch letztendlich passe das ja auch ganz gut zu der Mission des Hauses, den Wald in die Stadt zu bringen. Das Holz des Waldes trifft auf den grauen Beton der Stadt, wie Muntendorf den Widerspruch in der Architektur erklärt.

Errichtet hat das fünfstöckige Wälderhaus die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), für die mit der Realisierung dieses Projektes 2012 in Wilhelmsburg ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen ist. „Wir betreiben seit 20 Jahren Waldpädagogik in Hamburg“, sagt Muntendorf und verweist auf die Waldschule, in der die SDW im Niendorfer Gehege hauptsächlich Angebote für Kinder macht. „Für Jugendliche und Erwachsene wollten wir immer eine größere, didaktische Ausstellung haben“, sagt der Diplom-Forstingenieur und zeigt in den Raum des Science Centers mit seinen vielen verschiedenen Exponaten. „So wie hier.“

Doch während aus dem Off abwechselnd die Wildschweine grunzen, die Raben krächzen und die Vögel zwitschern, sind gerade keine weiteren Besucher da, um sich die vielfältige Erlebnisausstellung anzusehen. „Hier kommen sehr viel Schulklassen her, auch Gruppen oder Besucher aus dem angrenzenden Park“, sagt Muntendorf, um aber ganz realistisch hinzuzufügen, dass ihnen von vornherein klar gewesen sei, dass sich eine solche Ausstellung nicht alleine trage. „Deswegen wollten wir die Ausstellung immer an einen Gastronomie- und Tagungsbetrieb koppeln.“

Nachdem die SDW mit ihrem Bauvorhaben aufgrund der benötigten Größe in Niendorf gescheitert war, baute sie in Wilhelmsburg sogar noch ein Stockwerk mehr, um unter dem – vollständig begrünten – Dach auch noch ein Hotel unterzubringen.

Erbaut wurde das einzigartige Gebäude im Rahmen der 2013 eröffneten Internationalen Bauausstellung Hamburg, in der sogenannten Neuen Mitte in Wilhelmsburg, wo sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wälderhaus weitere einzigartige Architekturprototypen wie das Algenhaus oder das Smart-Material-House befinden.

Konzipiert wurde das Wälderhaus sowohl von außen als auch von innen vom Architekten Andreas Heller, der ebenso für das Herzstück des Hauses, das Science Center Wald mit seinen 80 Erkundungsstationen und seiner „atmosphärisch dichten Waldinstallation“ verantwortlich zeichnet. Diese empfängt die Besucher beim Eintritt, wo sie sich in einem abgedunkelten Raum wiederfinden, in dem zwischen Kiesfußboden und Betondecke zahlreiche, hohe Baumstämme stehen – untermalt mit Tierstimmen.

Und das ist nun der Wald in der Stadt, der Interesse für den bestehenden „echten“ Wald draußen irgendwo in der Natur wecken soll? Doch was ist für uns überhaupt „Wald“? Genau dieser Frage geht die Ausstellung ausführlich nach und lädt an den meisten Stationen zum Erkunden ein. Überall lassen sich Schubladen ausziehen, man kann kurbeln, drehen und drücken.

Bei der Wunderkammer zum Beispiel kann man den Knopf „Türkenbundlilie“ drücken, und inmitten aus einer eindrucksvollen Installation von über 2.000 Fundstücken des Waldes wie Baumsamen, Schmetterlingen und Vogelnestern steigt eine grüne Pflanze nach oben. Bei der Station „Vom Winde verweht“ werden auf Knopfdruck Baumsamen in einem großen Glas nach oben gepustet, um schließlich leise zu fallen, der eine wirbelnd, der andere sachte nach unten schwebend.

Das Wälderhaus befindet sich am Eingang zum Inselpark in Hamburg-Wilhelmsburg, dort wo 2013 die Internationale Gartenschau stattfand.

Es beinhaltet das Science Center Wald, das Restaurant „Wilhelms“, ein Tagungszentrum sowie das „Raphael Hotel Wälderhaus“ mit 82 Zimmern, die jeweils nach einem Baum benannt sind, von dem sich Teile im Zimmer wiederfinden.

Das Science Center Wald ist von Dienstag bis Sonntag zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet und kostet zwischen 2,70 und 5,10 Euro Eintritt.

„Hier in der Ausstellung können sich die Jugendlichen stundenlang alleine beschäftigen“, sagt Muntendorf. „Wir arbeiten mit vielen Schulen und Einrichtungen im Stadtteil zusammen“, sagt Waldpädagoge Michael Rademann und berichtet zum Beispiel, wie sie im Stadtteilkulturzentrum Honigfabrik mit Kindern, unter anderem von der benachbarten Flüchtlingsunterkunft, Nistkästen gebaut hätten. Es erfüllt ihn mit Freude, auch Kinder aus Zuwandererfamilien den Zugang zum Wald zu ermöglichen. „Die waren oft noch nie im Wald.“

Und Rademann erzählt von dem „Upcycling“-Projekt, das sie an der Grundschule am Kiefernberg in Hamburg-Heimfeld durchgeführt haben. „Da haben die Kinder Kunstobjekte aus Müll in Verbindung mit Naturmaterialien hergestellt und sie anschließend in einer Ausstellung hier im Wälderhaus präsentiert.“

Daran erinnert sich auch der Geschäftsführer des Wälderhauses, Hartmut Eckert, gerne zurück. „Es war sehr erfreulich zu sehen, wie stolz die Kinder waren, ihre Werke hier in einer öffentlichen Ausstellung zeigen zu können.“ Dass kleine und große Menschen gerne ins Wälderhaus kommen, und dass es vom Stadtteil benutzt wird, das ist ein großes Anliegen Eckerts. Denn ist erst die Bindung hergestellt, so die Hoffnung, dann wächst auch das Bewusstsein für den Wald und das Thema Nachhaltigkeit.

Und damit die Bindung der Interessierten am Wälderhaus nachhaltig erhalten bleibt, organisiert Eckert mit seinem Team immer wieder Veranstaltungen und Ausstellungen. Derzeit sind Fotos von der Fotografin Melanka Helms zu sehen mit dem Titel „Zwischen Bäumen“. Vielleicht wird das Wälderhaus ja auch bald so wahrgenommen, wie das Eckert ganz spontan formulierte: „Avon bringt die Schönheit nach Haus, wir den Wald nach Wilhelmsburg.“