ALTE MEISTER (5)
: Nachtschwärmerin der Weltpolitik

Wim Wenders soll einmal gesagt haben, jedes Bild von Edward Hopper könne der Beginn eines neuen Kapitels in einem großen Film über Amerika sein. Na ja. Jedenfalls schreibt die Frau, deren Halbprofil auf diesem profanen Pressebild eines Reuters-Fotografen zu sehen ist, derzeit an einem neuen Kapitel in diesem großen Buch namens „USA“. Ursprünglich hatte Hillary Clinton diese Geschichte selbst bestimmen wollen – nun muss sie als Außenministerin exekutieren, was ihr Präsident sich unter Geschichte so vorstellt. 30.000 Soldaten mehr nach Afghanistan beispielsweise, wie von Obama publikumswirksam in der Militärakademie West Point verkündet. Ganz am Rande wohnte der Veranstaltung also eine Frau bei, die, ihre bittere Miene verrät es, vom schleichenden Niedergang der amerikanischen Zivilisation zu wissen scheint. Eine Zivilisation, die von scharfen Kontrasten durchschnitten ist, während kaltes Neonlicht diffuser Herkunft auf ihren Haaren liegt. Alles an dieser Szene atmet Verlassenheit, Ausweglosigkeit und Tristesse – wenngleich geadelt durch die melancholische, kompositorisch kompromisslose Lichtregie. Dieses Pressefoto, als humanistisches Kunsthandwerk betrachtet, zeigt, wie verloren sich noch das mächtigste Individuum in der Kälte eines transitorischen Orts fühlen kann. FRA