DIE IG METALL VERZICHTET BEI INFINEON AUF FUNDAMENTALE FORDERUNGEN
: Schmerzhaft, aber sinnvoll

Bei aller Entschiedenheit der Streikenden – die Beschäftigten des Infineon-Werkes in Perlach kämpfen ein Rückzugsgefecht. Es geht nicht mehr um die Erhaltung des Standortes. Dieses Ziel haben die Gewerkschaftler aufgegeben. In den Augen fundamentalistischer Kämpfer möglicherweise zu früh, zumal IG Metall und die betriebliche Arbeitnehmervertretung sich weiterhin davon überzeugt zeigen, dass eine Schließung ökonomisch nicht notwendig ist.

Allerdings haben die Verhandlungen gezeigt, dass die Werksschließung nicht zu verhindern ist. Und das liegt nicht nur an möglichen Fehlern des Managements und der mittlerweile veralteten Technologie im Perlacher Werk. Auch der Preisverfall bei Speicherchips von bis zu 30 Prozent im vergangenen Jahr zeigt seine Wirkung. In so einer Situation ist es zwar schmerzhaft, aber verantwortungsvoll, nicht auf fundamentalen Positionen zu beharren. Stattdessen soll nun alle Kraft darauf verwendet werden, einen möglichst guten Sozialplan für die betroffenen Arbeiter zu erkämpfen. Doch auch wenn es in diesem Fall nur noch um Schadensbegrenzung geht – das Verteilen von möglichst großen Trostpflastern darf nicht zum Maßstab künftiger Streiks werden.

Im vergangenen Herbst drohte dem Opel-Werk in Bochum das Aus. Der Kampf der Belegschaft hat dies vorerst verhindert, auch weil sie sich nicht von Drohgebärden des Managements einschüchtern ließ. Allerdings sind Autos keine Speicherchips – Opel hatte nicht mit einem Preisverfall und immer höheren Entwicklungskosten für neue Produkte zu kämpfen. Die Probleme einer ganzen Branche lassen sich nicht wegstreiken.

Und es gibt einen weiteren Unterschied zwischen den Arbeitskämpfen in Bochum und München. Die Bedrohung des Opelwerkes rief sofort den Ministerpräsidenten und die Bundesregierung auf den Plan. Von solch hochkarätigem Engagement der Politik war in Perlach bislang nichts zu sehen. Auf Sonntagsreden können die Beschäftigten allerdings auch gut verzichten – auf Solidarität politisch Verantwortlicher nicht. STEPHAN KOSCH