Syrien

Das Blatt im Krieg hat sich gewendet – durch monatelanges rück-­sichtsloses Bombardement von Rebellenstellungen und Zivilisten

Wer will was in Syrien?

Interessen Die Rede ist vom "geeinten und souveränen" Syrien. Wenn es nur so wäre

GENF taz | Ein „geeintes und souveränes Syrien auf dem gesamten bisherigen Staatsterritorium, multiethnisch,-kulturell und -religiös, mit einer frei gewählten säkularen Regierung“: Zu diesem Ziel bekannten sich bei der Verabschiedung des Friedensfahrplans für Syrien Mitte November 2015 in Wien alle 17 Mitglieder der Internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe (ISSG). Dazu zählten unter anderem die USA, Russland, Saudi-Arabien, der Iran, die Türkei, der Irak, Katar, die Arabische Liga und die EU. Der Beschluss von Wien war Grundlage für die ebenfalls einstimmig verabschiedete Resolution 2254 des UNO-Sicherheitsrats vom 21. Dezember. Einige der genannten Akteure verfolgen jedoch andere Interessen:

Saudi-Arabien, Katar und zum Teil auch die Türkei unterstützen islamistisch-salafistische Rebellengruppen, die in Syrien einen Gottesstaat auf Basis der Scharia anstreben. Das saudische Regime will so den Einfluss des schiitischen Iran zurückdrängen. Einige dieser – zum Teil auch von den USA und anderen westlichen Regierungen geförderten oder zumindest als legitime Opposition betrachteten Rebellengruppen – haben enge ideologische und operative Verbindungen zur Al-Nusra-Front,dem syrischen Ableger des Al-Qaida-Terrornetzwerks. Die Internationale Syrien-Unterstützungsgruppe und der Sicherheitsrat haben die Al-Nusra-Front ebenso wie den „Islamischen Staat“als Terrorgruppe eingestuft, die weiter militärisch bekämpft und mit der nicht verhandelt wird.

Der Iran und Russland kleben zwar nicht am syrischen Präsidenten Assad. Sie wollen aber einen „geordneten“ Machtwechsel in Damaskus, „als Ergebnis eines innersyrischen Prozesses“ und nicht durch eine ausländische Militärintervention beziehungsweise durch vom Ausland bewaffnete Rebellengruppen. Teheran will sicherstellen, dass die syrischen Schiiten nicht an Einfluss verlieren. Moskau will den eigenen Einfluss in Syrien behalten, zumindest den Marinestützpunkt Taurus auf Dauer für die eigenen Seestreitkräfte sichern – notfalls auch durch eine territoriale Aufteilung Syriens in einen westlichen Rumpfstaat mit fast allen größeren Städten des Landes, eine Kurdenregion entlang der nordöstlichen Grenze zur Türkei und ein Gebiet, das vom IS, der Al-Nusra-Front und anderen Gruppen beherrscht wird.

Die USA und die EU würden eine solche Entwicklung gern verhindern, verfügen aber nicht über die Mittel dazu. Letztlich würden sie daher das Dreiteilungsszenario akzeptieren.

Die Türkei will unter allen Umständen das Entstehen eines autonomen Kurdenstaats in Syrien sowie verstärkte Beziehungen zwischen türkischen und syrischen Kurden verhindern und unterstützt daher den IS, solange dieser die Kurden bekämpft. Andreas Zumach