Der Papst versteht beim Volk zu punkten

Mexiko Franziskus kritisiert die Ausbeutung der Indigenen, scheut aber den Konflikt mit der Regierung

Papstbesuch: Nonnen-Band in Morella Foto: Rebecca Blackwell/ap

MEXIKO-STADT taz | Minutiös hatte Bischof Felipe Arizmendi die Visite von Papst Franziskus in Chiapas vorbereitet. Die Übergabe der ins Tzotzil, eine der Maya-Sprachen Mexikos, übersetzten Bibel an Papst Franziskus war genauso gut vorbereitet wie das Treffen des 79-jährigen Argentiniers mit Sebastián López López. Der 52-Jährige indigene Geistliche der Gemeinde Chalchihuitán ist einer der Kandidaten, die der Bischof als potenziellen Nachfolger sehen würde. „Ein Bischof mit indigener Herkunft ist überfällig“, so der umsichtige 76-Jährige, der seit mehreren Jahrzehnten in Chiapas wirkt.

Auf Arizmendi dürften auch die deutlichen Worte von Papst Franziskus an die indigene Minderheit zurückgehen. „Andere – trunken von Macht, Geld und den Gesetzen des Marktes – haben euch eurer Länder beraubt oder haben diese verschmutzt. Wie traurig!“, sagte Franziskus und appellierte an die mexikanische Gesellschaft, sich bei den indigenen Völkern zu entschuldigen. Eine Botschaft, die bei den indigenen Ethnien Mexikos, die in vielen Teilen von Chiapas, dem südlichsten Bundesstaat Mexikos, die Mehrheit stellen, sicherlich gut angekommen ist.

Mexikos Gesellschaft begegnet jedoch nicht nur den indigenen Völkern oftmals mit Gleichgültigkeit, sondern auch den Migranten auf dem Weg nach Norden, kritisiert die Journalistin Marcela Turati. Für das Nachrichtenmagazin Proceso schreibt sie über die schwierige Lage der Durchreisenden. Darauf wird auch der Jesuit Franziskus aufmerksam machen.

Doch besonders politisch tritt der oberste Hirte der katholischen Kirche nicht auf. Beispiel: der Fall der 43 verschwundenen Studenten aus Ayaotzinapa. Mehr als eine Einladung für die Eltern zum Abschlussgottesdienst in Ciudad Juárez am Mittwoch war bei diesem Besuch nicht zu haben. Wie die Eltern aber die Reise über 2.000 Kilometer vom Bundesstaat Guerrero an die mexikanisch-amerikanische Grenze bewerkstelligen sollen, ist offen geblieben.

Ein Grund, weshalb es durchaus Stimmen gibt, die dem Heiligen Vater vorwerfen, einen Deal mit der amtierenden mexikanischen Regierung eingegangen zu sein. Kritik ja, aber ohne die Verantwortlichen zu benennen, soll das Motto heißen. Warum habe Enrique Peña Nieto, Mexikos aalglatter Präsident, sonst den Heiligen Vater in den Präsidentenpalast eingeladen? Mehr Kritik an den gesellschaftlichen und vor allem den politischen Verhältnissen erhoffen sich viele Mexikaner der politischen Linken. So hätte der Papst sich mit den Familien der verschwundenen und ermordeten Frauen treffen und sich deutlicher zur latenten Straflosigkeit äußern sollen.

Beide Themen hat Franziskus angesprochen. Bei seiner Visite in Morelia, der Hauptstadt des von der Drogenkriminalität erschütterten Bundesstaats Michoacán, hat er sich zudem mit Jugendlichen getroffen und ausgetauscht.

Doch „Franziskus kommt nicht, um eine bestimmte Partei zu unterstützen oder einem Regierungspräsidenten Ratschläge zu geben“, erklärt der 77-jährige Kardinal Alberto Suárez Inda.. Er versteht die Visite von Franziskus als ein Zeichen der Ermutigung für die Menschen im Bundesstaat Michoacán. „Er weiß um unsere schwierige Situation: die Gewalt, die Morde, die Entführungen“, betont der Kardinal.

„Andere haben euch eurer Länder beraubt. Wie traurig!“

PAPST FRANZISKUS

Er weiß genau, dass Franziskus von seinen Hirten in Mexiko mehr Engagement für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft erwartet. Das könnte in jedem Fall hängen bleiben von der erste Visite des argentinischen Papstes in Mexiko. Knut Henkel

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