Auch vertagt: Streit über Mindestlohn

MINDESTLOHN Die FDP widersetzt sich der Einführung des noch von der großen Koalition beschlossenen Mindestlohns

„Die FDP soll sich nicht einbilden, dass das Thema ausgesessen werden kann“

ERHARD OTT, VER.DI

BERLIN taz | Die FDP blockiert die Einführung des bereits beschlossenen Mindestlohns für die Mitarbeiter der Abfallwirtschaft. Bei ihrer Sitzung am Dienstag vertagte die Koalition ihren Streit dazu auf unbestimmte Zeit. Erhard Ott vom Ver.di-Bundesvorstand, der an den Verhandlungen zum Mindestlohn beteiligt war, kritisierte die Entscheidung: „Die FDP soll sich nicht einbilden, dass das Thema ausgesessen werden kann.“

Noch vor der Sitzung hatten sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaft dafür ausgesprochen, dass der Mindestlohn in die Tat umgesetzt wird. Die Tarifparteien hatten sich bereits im Januar auf eine Lohnuntergrenze von 8,02 Euro geeinigt. Sie soll für etwa 160.000 Beschäftigte in der Abfallwirtschaft gelten. „Wir haben weiterhin ein Interesse daran, dass der Mindestlohn bald umgesetzt wird“, sagte auch Karsten Hintzmann vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft.

Die Vereinbarung der großen Koalition konnte vor dem Regierungswechsel nicht eingeführt werden, da noch Änderungen in den Tarifvertrag aufgenommen werden mussten. Nun fehlt nur noch ein formaler Schritt: Die Bundesarbeitsministerin muss die Einigung per Verordnung für allgemeingültig erklären. Dann tritt der Mindestlohn in Kraft.

Widerstand dagegen kommt allein aus der FDP, vor allem aus dem Wirtschaftsministerium. Angela Merkel hatte den Gewerkschaften mehrfach zugesichert, dass die Vereinbarungen zum Mindestlohn nicht zurückgenommen würden. Allerdings hatte sich die FDP im Koalitionsvertrag mit dem Satz „Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen auf dem Verordnungswege werden einvernehmlich im Kabinett geregelt“ ein Vetorecht vorbehalten.

Noch vor Kurzem sah es so aus, als würde Wirtschaftsminister Rainer Brüderle mit seinen Bedenken keinen Erfolg haben. Franz Josef Jung werde die Allgemeinverbindlichkeitserklärung in Kürze aussprechen, hieß es vor zwei Wochen. Dann trat Jung zurück. Die neue Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bat nun um Nachsicht dafür, dass sie sich erst einarbeiten müsse, bevor sie etwas zu ihrem Vorgehen zum Thema sage.

Nach Angaben von Ver.di würde die Einführung des Mindestlohns in der Abfallbranche für mindestens 20.000 Beschäftigten eine Lohnverbesserung bedeuten. Der Tarifvertrag würde zunächst für ein Jahr gelten, dann beginnen neue Tarifverhandlungen. Die schwarz-gelbe Regierung hat außerdem im Koalitionsvertrag vereinbart, bis Oktober 2011 alle bestehenden Mindestlöhne zu prüfen. Dann solle entschieden werden, ob sie Bestand haben oder wieder aufgehoben werden. LUS