Kein prima Klima für grüne Dächer

Natur Berlin ist eine grüne Großstadt. Stimmt. Aber nur am Boden. Auf den Dächern habendie Hamburgerdie Nase vorn. Die Berliner Grünen wollen das ändern. Die Koalition blockt

Beim Landeanflug soll der Blick aufs Grüne fallen: Hamburg hat Visionen, Berlin Rot-Schwarz Foto: Simulation: Matthias Friedel/BUE/Treibhaus

von Uwe Rada

Quendelblättriges Sandkraut? Oder doch besser Grasnelke oder Wirbeldost? Auf Hamburgs Dächern grünt es. Aber während sich der Hamburger Senat einen grünen Anstrich gibt, bleiben die Berliner Dächer grau. „Wir versuchen seit vergangenem Jahr in Berlin ein Programm für die Dachbegrünung durchzusetzen, allerdings ohne Erfolg“, klagt Silke Gebel, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. „Bislang haben die Koalitionsparteien den Antrag dreimal vertagt.“ Offenbar gibt es keinen politischen Willen, Berlin grüner zu machen, vermutet die Oppositionspartei.

Berlin ist eine grüne Stadt, aber nur am Boden. Auf den Dächern ist, nicht nur für den Wohnungsbau, noch großes Potenzial vorhanden. Bereits im April vergangenen Jahres hat Gebel deshalb den Antrag der Grünen-Fraktion mit dem Titel „1.000 grüne Dächer braucht unsere Stadt“ ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Über ein Programm mit einem Fördervolumen von 7,5 Millionen Euro sollten über einen Zeitraum von fünf Jahren Hausbesitzer ermutigt werden, ihre Dächer zu begrünen.

Darüber hinaus sollte der Senat im Rahmen einer „Gründachstrategie“ darauf hinwirken, dass – wie in Hamburg – auf 70 Prozent aller Neubauten Gründächer kommen. „Gründächer sind wichtig, damit sich die Stadt im Sommer nicht überhitzt“, sagt Gebel zur Begründung. „Dem Temperaturanstieg wird durch Verdunstung entgegengewirkt.“ Und ebenso wichtig: „Das Regenwasser wird zurückgehalten, was gut für den Wasserhaushalt der Stadt ist.“

65 Quadratkilometer Dachfläche hat Hamburg. In Berlin dagegen weiß man nicht einmal, wie viel Platz auf den hiesigen Dächern zur Verfügung steht. Weder der Senat noch die Bezirke zählen das nämlich. Dennoch ist nun eine Debatte darüber entbrannt, was man auf den Berliner Dächern noch alles unterbringen kann.

Was der Senat immerhin weiß: Auf Berlins Dächern gibt es ein Potenzial für 50.000 neue Wohnungen. Derzeit werden aber nur 500 Wohnungen pro Jahr errichtet, die meisten von ihnen als Dachgeschosswohnungen. Baustaatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) hat nun angekündigt, diese Zahl verdoppeln zu wollen. Allerdings kann das sowohl Probleme mit der Statik als auch mit der Infrastruktur mit sich bringen. Darüber hinaus sind Dachgeschosswohnungen meistens teuer. Für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt dürfte das nicht sorgen.

Ganz andere Vorschläge haben die Grünen. Sie können sich vorstellen, Flüchtlingsunterkünfte in Holzbauweise auf den Dächern der landeseigenen Gebäude zu errichten. Bis zu 100.000 Plätze könnten so entstehen, so die Grünen-FraktionsvorsitzendeAntje Kapek. Dies stünde übrigens nicht in einer Konkurrenz zu der Initiative für 1.000 grüne Dächer. (wera)

In Hamburg mit seiner rot-grünen Landesregierung gibt es eine solche Gründachstrategie bereits seit 2014. „Die Initiative ging vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz aus“, erklärt Hanna Bornholdt von der Hamburger Behörde für Umwelt und Energie (BUE). „Seine Vision war es, beim Anflug auf den Hamburger Flughafen eine grüne Dachlandschaft zu sehen.“

Also wird in Hamburg nun die Begrünung von Dächern mit bis zu 50.000 Euro gefördert. Insgesamt stehen bis 2019 drei Millionen Euro zur Verfügung. Neben der Förderung sollen die Hauseigentümer auch von den Vorteilen der Gründächer überzeugt werden. „Die Erstinvestition ist sicher teurer“, sagt Bornholdt. „Im Unterhalt aber gleicht sich das mit der Zeit wieder aus.“ Neben den positiven Auswirkungen für das Stadtklima sieht Bornholdt auch noch einen weiteren Effekt. „Auf den Dächern ist viel ungenutztes Potenzial. Man kann sich auf ihnen erholen, die Mittagspause verbringen, gärtnern.“ Insgesamt hat Hamburg eine Dachfläche von 65 Quadratkilometern.

In Berlin mangelt es bisher an solchen Visionen. Doch das sei nicht Schuld der SPD, betont der umweltpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Daniel Buchholz. „Auch wir wollen ein prima Klima an Berlins Gebäuden“, sagt Buchholz. Nicht nur Dächer will der SPD-Politiker begrünen, sondern auch Fassaden. „Einen entsprechenden Antrag hat die SPD-Fraktion am12. Januar beschlossen.“ Allerdings trage die CDU als Koalitionspartner diesen Antrag nicht mit. „Die wollten bislang immer die entscheidenden Passagen rausstreichen.“ Buchholz hofft dennoch auf eine Einigung. „Ich habe die Hoffnung nicht verloren, dass wir zu einem Ergebnis kommen.“ Im Gegensatz zu den Grünen verzichtet der SPD-Antrag aber auf eine konkrete Fördersumme.

Die Grünen glauben jedenfalls nicht mehr, dass Rot-Schwarz den Worten Taten folgen lässt. „Die Koalition hat genug Zeit gehabt, sich eine Meinung zu bilden“, sagt Umweltpolitikerin Silke Gebel. Sie will nun den Antrag auf einer der nächsten Plenarsitzungen direkt im Plenum einbringen. „Wir haben viel Zeit verloren“, sagt Gebel. Hamburg als Vorreiter bekommt nun sogar Bundesförderung für sein Gründachprogramm.

„Gründächer sind wichtig, damit sich die Stadt im Sommer nicht überhitzt“

Silke Gebel, Grüne

Dass die SPD mit den Grünen stimmt, wird aber nicht der Fall sein. „Wir haben eine Koalition und werden Anträge gemeinsam mit der CDU einbringen oder gar nicht“, dämpft SPD-Mann Buchholz die Erwartungen. Es sei auch unwahrscheinlich, dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) das Thema grüne Dächer – ähnlich wie Olaf Scholz in Hamburg – zur Chefsache macht. „Scholz hat das gemacht, als die SPD in Hamburg alleine regierte.“

So wird das Thema also in den Wahlkampf gehen. Im Wahlprogramm der Grünen werden die Gründächer ein eigenes Kapitel bekommen, verspricht Gebel. Eine Forderung dabei ist auch die Anlage eines „Humboldt-Dschungels“ am Humboldt-Forum. Und die Umweltverbände haben sich auch schon zu Wort gemeldet. „Berlin braucht eine umsetzungsorientierte Gründachstrategie“, fordert etwa der BUND. „Hierfür sollten in den nächsten Jahren im Landeshaushalt die finanziellen Förderbedingungen geschaffen werden.“