KOMMENTAR
: Der Gesetzgeber hat gepennt

das Verwaltungsgericht HAT IN DIESER WOCHE Bau und Betrieb einer zweiten FlüchtlingsWohnsiedlung gestoppt – WARUM?

Erst traf es die zum Teil schon bewohnbare Wohnsiedlung für 952 Geflüchtete am Fiersbarg in Lehmsahl-Mellingstedt. Am vergangenen Donnerstag hat das Verwaltungsgericht auch noch Bau und Betrieb von zwei- und dreigeschossigen Gebäuden für 700 Geflüchtete am Anzuchtgarten in Klein Borstel gestoppt. Auch wenn der rot-grüne Senat gleich Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht eingelegt hat: Erst mal sitzt er in der Patsche.

Es war das rot-grün regierte Hamburg, durch dessen Vorstoß auf Bundesebene der Paragraf 246, Absatz 14 ins Baugesetzbuch aufgenommen worden ist: Er sollte Städten und Gemeinden, die plötzlich viele Flüchtlinge unterbringen müssen, in die Lage versetzen, ohne aufwendige und langwierige Bebauungsplanverfahren Unterkünfte zu errichten – auch wenn sie gegen den derzeit gültigen Bebauungsplan verstoßen. Durch das Gesetz hoffte der Senat, bei der Errichtung von Unterkünften nicht mehr auf das Polizeirecht zurückgreifen zu müssen. Ob das überhaupt zulässig wäre, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden worden.

Bevor nun das Oberverwaltungsgericht über den vom Verwaltungsgericht verfügten Baustopp für die Unterkunft in Klein Borstel nach Polizeirecht entscheiden konnte, war das Verfahren obsolet. Denn inzwischen hatte das Bezirksamt Nord eine Baugenehmigung nach dem Baugesetzbuch erteilt und damit den Bereich des Polizeirechts verlassen. Zu sicher waren sich die Verantwortlichen, dass eine Genehmigung unter Berufung auf den Ausnahmeparagrafen 246 Bestand haben würde.

Er ermächtigt die Stadt nach der Formulierung zwar, vom Bebauungsplan abzuweichen; aber nur, wenn in der ganzen Stadt die Flüchtlings-Aufnahmemöglichkeiten erschöpft sind, wie die Verwaltungsrichter spitzfindig befanden. Und das wird in einer Millionenstadt auf 755 Quadratkilometern Fläche kaum zu belegen sein – da haben die Initiatoren des Paragrafen 246, Absatz 14 Baugesetz gepennt. Kai von Appen