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Henrike Grohs, Leiterin des Goethe-Instituts Abidjan Foto: goethe-institut

Vermittlerin der Kulturen

Sie hatte keine Chance. Henrike Grohs war mit Freunden am Sonntag an den Strand des Hotels Étoile du Sud in Grand-Bassam in der Elfenbeinküste gefahren, dem von Europäern und der ivorischen Mittelschicht geschätzten Baderesort am Atlantischen Ozean außerhalb der wuselnden Metropole Abidjan. Gegen 12.25 Uhr, so die offizielle Mitteilung der Regierung, fielen in dem Luxushotel Schüsse, eine Dreiviertelstunde später waren 21 Menschen tot. Unter ihnen eben auch die 53-jährige Leiterin des Goethe-Instituts in Abidjan.

Die Deutsche wurde bei dem Überfall, zu dem sich al Qaida im Islamischen Maghreb bekannte, erst in den Oberschenkel getroffen, berichtet der ivorische Künstler Ananias Léki Dago, der mit ihr dort war. „Sie brach zusammen und lag auf ihrem Bauch. Der Terrorist kam wieder und schoss ihr aus nächster Nähe drei Kugeln in den Rücken, um sicherzugehen, dass sie stirbt.“

Mit Grohs verliert nicht nur die Elfenbeinküste eine wichtige Mittlerin zwischen der deutschen und der afrikanischen Kulturszene. Bevor die Berlinerin Ende 2013 im Alter von 51 Jahren nach Abidjan kam, hatte sie vier Jahre lang am Goethe-Institut im südafrikanischen Johannesburg gearbeitet. Davor wirkte sie zwischen 2002 bis 2009 an der Berliner Philharmonie als Projektmanagerin, zum Beispiel in Simon Rattles Bildungsprogramm „Zukunft@BPhil“, das durch Initiativen für Schüler wie „Rhythm Is It“ weltweit berühmt wurde. Sie stellte einen 150-köpfigen Jugend- und Kinderchor aus acht Berliner Schulen zusammen, der mit der Philharmonie auftrat. Auch im Berliner Haus der Kulturen der Welt war sie immer wieder tätig.

Die studierte Völkerkundlerin verbrachte Teile ihrer Kindheit in den 1960er Jahren in Tansania, als Tochter der 2014 verstorbenen Ethnologin Elisabeth Grohs. Ihre Leidenschaft, sagen ihre Vertrauten, sei immer die internationale Kulturvermittlung gewesen. In Berlin wie in Abidjan arbeitete sie daran, schöpferisches Potenzial auch bei Menschen zu wecken, die mit dem elitären Kulturbetrieb nichts anfangen können. „Sie hat mir die Augen geöffnet“, schrieb ein ruandischer Fotograf nach ihrem Tod.

Erst vergangene Woche hatte Henrike Grohs sich in der 9. Abidjaner Kunstmesse Masa mit einer Fotoausstellung engagiert und dort zahlreiche Freunde wiedergetroffen. Einer, der Kulturjournalist Aboubacar Demba Cissokho aus Senegal, lud sie nach Dakar ein; bei einer Tombola gewann sie das Flugticket. „Individuen mit einem kleinkarierten Weltbild“, trauert Cissokho jetzt, „haben beschlossen, dass sie und 15 andere Männer und Frauen kein Recht haben, das Leben zu genießen.“ Dominic Johnson