Zensur vor der Wahl

Eine Folge der österreichischen Kabarettsendung „Donnerstalk“ mit Alfred Dorfer und Josef Hader wurde aus dem aktuellen ORF-Programm gekegelt

Manchmal wird politisches Kabarett von der Wirklichkeit übertroffen. Den Einfluss der regierenden ÖVP auf den ORF wollten Alfred Dorfer und Josef Hader in der vergangenen Folge der Kabarettsendung „Dorfers Donnerstalk“ aufs Korn nehmen. Allerdings durfte das Programm nicht laufen. Kurz vor der Ausstrahlung am Donnerstag schritt Programmdirektor Reinhard Scolik ein und verschob die Sendung auf einen Termin nach den Wiener Gemeinderatswahlen am Sonntag.

„Grundsätzlich sollen in ORF-Unterhaltungssendungen politische Inhalte kurz vor einer Wahl ausgespart werden“, lautete die Begründung. Zwar bekommen auch FPÖ und SPÖ ihr Fett ab, doch hinter der plötzlichen Programmänderung sieht die Opposition die mächtige Hand der ÖVP. ÖVP-Fraktionschef Wilhelm Molterer, der für seine telefonischen Interventionen in der Programmdirektion gefürchtet ist, könne stolz sein, mit Berlusconi und Putin in einem Atemzug genannt zu werden, spottet der Grüne-Abgeordnete Peter Pilz in seinem Weblog: „Da schwillt die Brust des zarten Obmanns.“

Alfred Dorfer kommentierte den Eingriff in der Zeitung Der Standard: „Ich halte fest an der Hoffnung, dass zukünftige Regierungen, ungeachtet ihrer Zusammensetzung, das Selbstbewusstsein und die Größe haben werden, Informationsgerechtigkeit und -vielfalt herzustellen, wie es einer westlichen Demokratie entspräche.“

Die ÖVP-FPÖ-Regierung hatte sich bei ihrem Antritt im Jahr 2000 die „Entpolitisierung“ des ORF auf ihre Fahnen geheftet. Nach der Umgestaltung der Anstalt öffentlichen Rechts in eine GmbH ist der Einfluss der Parteien tatsächlich geringer, mit Ausnahme der ÖVP, deren Vertrauensleute im Gesellschaftsrat fast die absolute Mehrheit stellen. Generaldirektorin Monika Lindner ist eine erprobte Weggefährtin des mächtigen niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmanns Erwin Pröll. Fast alle Führungspositionen sind mit Christdemokraten besetzt. Redakteure, die Regierungsmitglieder bei Interviews zu hart anpackten, wurden gemaßregelt. Regelmäßige Messungen des Innsbrucker Media-Watch-Instituts belegen, was jeder Zuschauer empfindet: In der wichtigsten Nachrichtensendung „Zeit im Bild 1“ finden die ÖVP-Politiker reichlich Platz zur Selbstdarstellung. Unangenehme Themen werden heruntergespielt oder in die Spätnachrichten geschoben. Oder eben in die Sendewoche nach der Wahl.

RALF LEONHARD