„Viele wollen das übernehmen“

Im Januar beenden die ersten ErzieherInnen ihr Studium an der Bremer Universität in einem neuen Weiterbildungsprogramm – eine bislang einzigartige Ausbildung in Deutschland

Seit 18 Monaten gibt es an der Universität Bremen ein weiterbildendes Studium Frühkindliche Bildung, in dem ErzieherInnen Kreditpunkte und ein Zertifikat erwerben können. „Die Verbindung von Erfahrungen aus der Praxis mit wissenschaftlichen Methoden macht dabei den besonderen Reiz aus“, sagt Prof. Dr. Ursula Carle im taz-Interview.

taz: Frau Carle, wie sind Ihre Erfahrungen mit dem ersten Durchgang des neuen weiterbildenden Studiums Frühkindliche Bildung?Ursula Carle: Sehr positiv. 45 ErzieherInnen, die bei uns studieren, stehen vor dem Abschluss. Die meisten bringen sehr viel Erfahrung aus der Praxis mit, die sie im Studium mit wissenschaftlich Forschungsergebnissen verbinden können.

Wie sieht das konkret aus?

Die ErzieherInnen erarbeiten sich neue Themenfelder. Im Moment sind wir etwa beim Thema „systematisches Beobachten“. Dort erproben die Studierenden wissenschaftliche Methoden und setzen ihre Beobachtungen in Fördermöglichkeiten um, die dann auch einer fachlich fundierten Kritik Stand halten können.

Welche Voraussetzungen benötigen ErzieherInnen, um ein solches Studium beginnen zu können?

Die meisten Studierenden haben kein Abitur, sie brauchen eine abgeschlossene Ausbildung als ErzieherIn und eine dreijährige Berufserfahrung.

Wie ist die Nachfrage nach dem Studiengang?

Wir haben kein Problem, den Studiengang voll zu bekommen. Für den Turnus, der im Januar beginnt, gibt es bereits InteressentInnen, obwohl die offizielle Informationsveranstaltung erst am 9. November stattfinden wird. Wir könnten viel mehr ErzieherInnen weiter qualifizieren als immer nur 50 alle zwei Jahre.

Warum ist die Weiterbildung für ErzieherInnen so wichtig?

In anderen europäischen Ländern läuft die Ausbildung von ErzieherInnen an den Hochschulen schon seit über 20 Jahren, an der Zhejiang Normal University Hangzhou in China sogar seit über 50 Jahren. In Deutschland wird nicht immer nach neuesten Erkenntnissen ausgebildet.

Warum ist das so?

Darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Viele glauben bestimmt noch, dass die Erziehung von Kindern eine Fortsetzung der Mütterlichkeit ist – und als Mutter braucht man eben keine Universitätsausbildung. Dabei ist es unglaublich wichtig, dass die ErzieherInnen lernen, wie man etwa frühkindliche Lernprozesse gezielt fördern kann. Das bedeutet, sie müssen zum Beispiel im Spiel des Kindes erkennen können, welche Erkenntnisprozesse hier ablaufen.

Welche Inhalte hat das Studium?

Es gibt ein Grundlagenmodul, in dem die ErzieherInnen ihre praktischen Erfahrungen mit aktuellen Forschungsdiskussionen verbinden. Hinzu kommen zwei Schwerpunktbereiche. Der erste beschäftigt sich damit, Kommunikation und Sprache mit Natur, Technik, Mathematik sowie Religionspädagogik zu verbinden. Im zweiten geht es um soziale, individuelle und strukturelle Übergangsprozesse. Der Studiengang ist berufsbegleitend, so dass die Studierenden ihre Erfahrungen gleich in der Praxis anwenden.

Werden weitere Studiengänge dieser Art an anderen Universitäten folgen?

Wir haben aus vielen Teilen Deutschlands Nachfragen von Hochschulen, die den Studiengang übernehmen wollen. In jüngster Zeit wird immer mehr Menschen klar, dass wir die Bildung verbessern müssen. Und dort spielt gerade die frühkindliche Bildung eine besonders wichtige Rolle.

Interview: Kay Müller