Die Angst vor dem Bumm

Kommentar

von Malene Gürgen

Mehr Sicherheit heißt weniger Freiheit

Eine Zahl: 1.883 Mal hat die Polizei in der Zeit vom 13. Januar bis 29. Februar Menschen rund um die Rigaer Straße in Friedrichshain kontrolliert. Das macht etwa 40 Kontrollen am Tag, bei denen jedes Mal Name, Geburtsdatum und Anschrift erfasst und in einer polizeilichen Datenbank gespeichert wurden.

Die Autorin dieses Textes war kürzlich in China und hat dort erlebt, was ein omnipräsenter Sicherheitsapparat bedeutet. Polizisten an jeder Straßenecke, Sicherheitskontrollen in jeder Metrostation, in größeren Bahnhöfen wird die Tasche gleich fünf Mal durchgescannt.

Was die Rigaer Straße und Sicherheitsvorkehrungen in China mit den Anschlägen in Brüssel zu tun haben? Sie führen uns vor Augen, wohin der Ruf nach mehr Sicherheit, der jetzt auch in Berlin wieder laut wird, führen kann.

Denn natürlich stellt sich nun wieder die Frage, ob Ähnliches auch in Berlin passieren wird. Und, leider: Unwahrscheinlich ist das nicht. Seit Langem schon spricht der Berliner Verfassungsschutz von einer „hohen abstrakten Gefährdung“ – angesichts der Tatsache, dass man von einer hohen konkreten Gefährdung meist erst im Nachhinein erfährt, durchaus eine beunruhigende Einschätzung. „Höher geht es nicht – alles was danach kommt, ist Bumm“, formulierte es der Berliner Verfassungsschutzchef Bernd Palenda im Februar.

Bumm will aber niemand, also wird jetzt wieder laut gerufen: mehr Polizisten, mehr Kontrollen, mehr Überwachung, mehr Antiterroreinheiten.

Man will sich rüsten gegen das, was vermutlich irgendwann passieren wird, und auch gegen den Vorwurf hinterher, nicht genug getan zu haben. Das ist insofern richtig, als die Sicherheitsbehörden natürlich nicht aus ihrer Verantwortung gelassen werden dürfen. Trotzdem sollte allen, die jetzt mehr Sicherheit fordern, klar sein, dass die ihren Preis hat – und der bemisst sich meist in einem Verlust von Freiheit. Noch sind die Kontrollen in der Rigaer Straße ein Ausnahmefall, die Zustände in China weit weg – es wäre schön, wenn das so bleibt. Trotz Brüssel.